AfD

Der Rechtsausleger des rechten Flügels der Rechtspopulisten randaliert verbal. Ein Fall für den Rechtsstaat?

„In höchstem Maße menschenfeindlich“

Reaktion Höckes Rede wird heftig von Parteien und Verbänden kritisiert – selbst von AfD-Chefin Petry

BERLIN taz | Das Papier stammt aus dem Dezember. Mit „sorgfältig geplanten Provokationen“ wolle man in die Öffentlichkeit gehen, beschloss der AfD-Bundesvorstand damals. Nun hat einer der Parteivorderen wieder eine Provokation gesetzt: Björn Höcke. Mit seiner Dresdner Rede löste der AfD-Rechtsaußen und Thüringer Parteichef am Mittwoch einen bundesweiten Proteststurm aus.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sprach von „Demagogie“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, von „in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten“.

Die Provokation, sie könnte diesmal für die AfD nach hinten losgehen. Am Mittag fühlte sich selbst Parteichefin Frauke Petry zu einer Distanzierung gezwungen. „Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden“, sagte sie einer Rechtspostille.

Schon im Dezember 2015 hatte Petry versucht, gegen Höcke vorzugehen. Damals hatte der Rechtsaußen über einen „afrikanischen Ausbreitungstyp“ schwadroniert. Der AfD-Bundesvorstand beließ es am Ende bei einem Appell: Höcke solle prüfen, „inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden“.

AfD-Vize Alexander Gauland nimmt Höcke auch diesmal in Schutz. Wenn der darauf hinweise, dass die Leistungen der deutschen Geschichte im öffentlichen Diskurs oftmals „unter der Erinnerung an diese zwölf Jahre“ verschwänden, sei das für ihn nachvollziehbar.

Höcke selbst verteidigte sich am Mittwoch. Die Interpretation seiner Rede sei „bösartig und bewusst verleumdend“. Zweifellos müssten sich die Deutschen ihrer „immensen Schuld bewusst sein“. Aber: „Schuldbewusstsein allein kann keine gesunde Identität stiften.“

Seine Kritiker konnte Höcke damit nicht besänftigen. „Hier geht es nicht um irgendeine Provokation“, sagte SPD-Parteichef Gabriel. „Björn Höcke verachtet das Deutschland, auf das ist stolz bin.“ Josef Schuster vom Zentralrat der Juden sagte: „Dass 70 Jahre nach der Schoah solche Aussagen eines Politikers in Deutschland möglich sind, hätte ich nicht zu glauben gewagt.“

Der Grünen-Innenexperte Volker Beck forderte eine Beobachtung von Höckes AfD-Flügel durch den Verfassungsschutz. Eine Reihe von Bundestagsabgeordneten und NSU-Nebenklägern forderten auch ein Disziplinarverfahren gegen Höcke durch das hessische Kultusministerium. Dort ist der 44-Jährige Abgeordnete verbeamteter Lehrer im ruhenden Verhältnis. „Niemand, der rhetorisch und inhaltlich an die NS-Zeit anknüpft und sich dies zu eigen macht, kann und darf Geschichtslehrer sein“, heißt es in der Erklärung. Konrad Litschko