Berliner Szenen
: Karo statt Retro

Der Vintage-Markt

Ein Tinder-Date mit Kleidung quasi! Sie und der Strickpulli

Stellen Sie sich einen wunderbaren Donnerstagnachmittag vor. Sie haben frei und wollen einfach bummeln gehen ohne Stress. Der Vintage-Markt von VinoKilo scheint also genau das Richtige zu sein: In den Spreewerkstätten in Mitte bieten die Veranstalter*innen nach der Fashion Show Vintageunikate zum Kilopreis an.

Exklusive und nachhaltige Mode für einen fairen Preis shoppen. Dabei gemütlich einen Vino trinken. Zu den coolen Beats der DJs wippen. Mal ein wenig den Hipster raushängen lassen. Ein Tinder-Date mit Kleidung sozusagen! Sie und der Strickpulli. Es sollte ein einzigartiges Shoppingerlebnis werden, ein Pop-up-Event zum Genießen! Vintage up your city! So der Traum.

In Wirklichkeit war es dann so: Ich wartete. Zunächst draußen. Es war kalt. VinoKilo hatte im Voraus Onlinetickets verkauft. Offensichtlich zu viele. Ich fühlte mich abgezockt, leicht aggressiv und fand, ein Schnaps als Entschädigung wäre angemessen. Die Schlange führte durch den Eingangsbereich, um die Ecke und schließlich durch eine Vorhalle, wo es Reis mit Tofu, Bio-Espresso und Vegan Cakes zu kaufen gab. Trotzig nuckelte ich an meiner Wasserflasche.

Nach einer Dreiviertelstunde war ich drin. Es war voll, düster und muffig. Secondhand-Klamotten lagen auf dem Boden, auf Tischen, Kleiderstangen und hingen aneinandergeknotet an der Wand. Keine wertvollen Schätze, sondern Schund. Karohemden statt Retrokleider. Ich leuchtete mit meinem Smartphone, um besser sehen zu können. In meinen Jutebeutel packte ich einen Streifenpulli und zwei Taschen, die nicht modrig rochen, und stellte mich an der Kasse an. Wieder eine Dreiviertelstunde warten. Nächstes Mal geh ich wieder zu Humana. Oder auf den Mauerpark-Flohmarkt. Oder einfach gleich zu H & M. Julika Bickel