Die neue Ligaqualität

verfolgerduell RB Leipzig präsentiert sich beim 2:1-Sieg über die TSG Hoffenheim als künftiger Champions-League-Klub: geschlossene Mannschaft und exzellente Einzelspieler, die 90 Minuten lang Druck ausüben

Leipzig hebt kaum ab: RB-Torwart Péter Gulácsi wehrt einen Hoffenheimer Angriff ab Foto: Woitas/dpa

Aus Leipzig Peter Unfried

Wenn man spektakulären Fußball sehen will, dann muss man zu RB Leipzig gehen. Es sei denn, man ist mehr so der Classictyp, dann vielleicht besser nicht. Das „Repertoire“ von RB Leipzig, wie Kapitän Willi Orban es nennt, ist nicht jedermanns Sache, aber es enthält „geeignete Mittel“, um auch ein hochklassiges Bundesligaspitzenspiel gegen die bis Samstag ungeschlagene TSG 1899 Hoffenheim 2:1 zu gewinnen.

„Wir wussten, dass wir unser Spiel gegen den Ball auf ein noch höheres Niveau bringen mussten“, sagte Stürmer Yussuf Poulsen hinterher. Das klingt zunächst einmal harmlos, aber es bedeutet, dass sein Team das ohnehin schon atemberaubende Jagen des ballbesitzenden Gegners noch mal verschärft hatte. Wie aggressiv RB im Rudel den Ball jagt, wie es dann mit Direktpass aus der Balleroberung umschaltet, das ist im Moment in der Bundesliga einzigartig. RB gehöre „zu den Topteams in Europa, was das Verteidigen angeht“, sagte der Hoffenheimer Trainer Julian Nagelsmann.

Allerdings ließ sich Hoffenheim alles andere als an die Wand drücken. Selten sah man zwei Matchpläne so offengelegt wie diesmal. Nagelsmann wollte RB den Ball überlassen und damit den Leipziger Druck lindern, um ihm dann durch schnelle Spielverlagerung auf die Außenbahnen vollends zu entkommen. Entsprechend fiel so das 1:0 für Hoffenheim: Nach einem RB-Eckstoß inszenierten Rudy, Demirbay, Kamarić und Torschütze Amiri (18.) ein Tempopassspiel, wie man es selten sieht. „Ein überragend herausgespielter Konter, der fast nicht zu verteidigen war“, befand auch RB-Trainer Ralph Hasenhüttl.

Der Rest der Spielzeit gehörte dann deutlich mehr RB, das sich mit einem 4-4-2-System aufstellte, als 1899 (3-5-2). Aber man kann nicht ignorieren, dass das Teil der Hoffenheimer Strategie war und die Partie erst wirklich kippte, nachdem Hoffenheims Stürmer Sandro Wagner wegen eines Tritts ins Sprunggelenk von Ilsanker die Rote Karte sah (60.). Zwar reüssiert Wagner bei 1899 als Aggressive Leader, aber diesmal überzog er. „Tut mit sehr leid“, sagte er nach dem Spiel ganz sanft; passend dazu trug er Badelatschen.

Die Sache war für sein Team ungünstig und für ihn auch, schließlich saß Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne und blinzelte in die rote Wintersonne. Dem hatte sich Wagner in seiner bekannten Bescheidenheit als „der derzeit beste deutsche Stürmer“ anempfohlen. Indes würde man in diesem Zusammenhang eher an Timo Werner denken, den Leipziger Tempodribbler und Torschützen zum 1:1 (38.).

Werner pflegt inzwischen ein erstaunlich entschlacktes und ergebnisorientiertes Spiel, trifft herausragend (elf Saisontore), macht kaum ein Häkchen zu viel, allenfalls mal ein Schwälbchen. Diese Klarheit kennzeichnet Hasenhüttls Team als Ganzes – neben der einschüchternden Physis selbstverständlich. Wie der Ausgleich, so entsprang auch der Siegtreffer von Marcel Sabitzer (77.) dieser Leipziger Mischung aus Wucht, individueller Klasse und – immer Teil des Fußballs – dem Glück, dass der Schuss abgefälscht wurde.

Das ist, Stand jetzt, der wichtige Unterschied zwischen RB und 1899. Beide bieten strategisch und organisatorisch gehobene Klasse, aber Leipzig hat zudem herausragende Einzelspieler: vor allem Naby Keïta, aber auch Werner, Poulsen und den derzeit verletzten Forsberg.

Was folgt jetzt daraus? Hoffenheim, vor genau einem Jahr noch Tabellenletzter mit dem Betonmischer Huub Stevens, will „oben dranbleiben“, wie Innenverteidiger Niklas Süle sagte. Er mache sich da keine Sorgen. RB Leipzig, vor einem Jahr Zweitligist, will jetzt den zweiten Tabellenplatz verteidigen. „Das war ein Big Point für uns gegen einen richtig guten Gegner“, sagte Trainer Hasenhüttl. Klar, damit ist man auf einem direkten ­Champions-League-Platz mit elf Punkten Vorsprung vor 1899, sodass man da von echten Verfolgern derzeit nicht sprechen kann. Hasenhüttl hat auch schon angedeutet, wie er einem Einbruch vorbeugen will. „Punkten“, sagt er, „punkten hilft enorm.“