Im Zeichen der Herrschenden

Kritik Die Kunsthalle stellt barocke Repräsentantenkunst „Im Zeichen der Lilie“ aus. Die Werke sind angesichts der Weltpolitik durchaus aktuell

Der mediale Einfluss des Sönnenkönigs war aufgrund der eigenen Druckei groß

Herrscherkunst könnte bei der aktuellen weltpolitischen Lage bald wieder stärker in Erscheinung treten. Viele Gesellschaften entledigen sich ihrer demokratischen Werte, Diversität schwindet, Menschen werden einander ähnlicher oder ein bestimmter Menschenschlag setzt sich durch. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich hat 2016 mit seinem Buch „Siegerkunst“ bereits die Hegemonie von Repräsentantenkunst behauptet. Im Mittelpunkt seiner Analyse stand jedoch weniger die politische Klasse, denn eine ökonomische. Die Stiche und Radierungen der Ausstellung „Im Zeichen der Lilie“, die zurzeit in der Kunsthalle zu sehen ist, lassen sich gut unter einem solchen Aspekt betrachten.

Ausgestellt sind grafische Arbeiten aus der Zeit Ludwigs XIV., also Barock vom späten 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert. Die Lilie war das Symbol des französischen Adels. Gezeigt werden Reproduktionen größerer Gemälde und sogar Deckenfresken, zum Teil aber auch Motive, die originär für den Druck erstellt wurden. Neben tatsächlichen Herrscherporträts handelt es sich um typische Motive des Barocks: weite Plateaus, auf denen vor einer Landschaft historische Szenen wie Schlachten zu sehen sind, ebenso biblische Szenen und Begebenheiten der antiken Mythologie.

Wobei: Selbst die Reproduktionen sind keine kleinen oder schwarz-weißen Kopien großer, farbiger Werke. Die Übertragung vom einen ins andere Medium wertet die Ausstellung als künstlerischen Akt. Das macht Christien Melzer, Kustodin am Kupferstichkabinett der Kunsthalle, in ihrem Katalogbeitrag deutlich: Ein schlammig braunes Porträt des Malers Charles Mouton erhält durch die Überführung von Gérard Edelinck erst seine Klarheit. Die Lesbarkeit des Bildes werde erhöht, Details sichtbarer gemacht, die Linienführung akzentuiert, so Melzer. Die Grundlagen-Stiche ermöglichen eben eine besondere Präzision. Die Motive werden in winzige Punkte und Linien zerlegt. Auf diese Weise werden Räumlichkeit, Körperlichkeit und die Lichtsituation auf einem flachen Blatt umgesetzt.

Die Stiche von Robert Nanteuils zeigen Ludwig XIV. selbst. Zwölf Mal in 20 Jahren hat er den Herrscher porträtiert. Nanteuils wurde zu privaten Audienzen beim König eingeladen, während derer er Kreidezeichnungen anfertigte. Diese groben Vorlagen erhielten den Detailreichtum erst durch die Überführung in die Stiche –in Gewebemuster, Hautstruktur und Haarpracht. Über die Ausgestaltung der Porträts behielt der König selbstverständlich die volle Kontrolle – sie wurden anschließend verbreitet.

Interessant ist dabei der Umstand, dass der König seit der Gründung der Imprimerie royale über eine eigene Druckerei verfügte, in der die ausgestellten Künstler als Stecher arbeiteten. Die Auflagen der dort gefertigten Blätter und Bücher waren mit mehreren hunderten für damalige Verhältnisse recht hoch – und damit auch der mediale Einfluss des Sonnenkönigs.

Radek Krolczyk

„Im Zeichen der Lilie“ läuft in der Kunsthalle bis zum 28. Mai

Autor Radek Krolczyk betreibt die Galerie K'