Großrazzien gegen mutmaßliche IS-Unterstützer

TürkeiPolizei nimmt verdächtige 825 Personen fest. Angeblich Anschlag in Ankara verhindert

Die Islamisten sind in allen wichtigen türkischen Städten präsent

AUS ISTANBUL Jürgen Gottschlich

Die Türkei macht offenbar Ernst im Kampf gegen den IS. In einer landesweiten Razzia sind am Wochenende und am Montag 825 Personen festgenommen worden, die im Verdacht stehen, Mitglieder des IS zu sein oder in anderer Weise die Terrororganisation zu unterstützen. Teilweise gehen die Festnahmen auf Zeugenaussagen im Zusammenhang mit dem Anschlag in dem Nachtclub Reina in der Silvesternacht zurück. Zum größeren Teil haben Polizei und Geheimdienst aber IS-Zellen ausgehoben, die länger beobachtet worden waren.

Unter den Festgenommenen sind auch Ausländer, überwiegend aus dem Nahen Osten, aber auch aus Europa. So sollen zwei Verdächtige, die in Ankara festgenommen wurden, aus Deutschland kommen. Von Izmir über Istanbul bis Ankara durchkämmten Einsatzkommandos der Polizei Viertel, in denen bekanntermaßen IS-Sympathisanten untergetaucht sind. Allein in Ankara wurden 60 Personen festgenommen.

Der Schwerpunkt der Razzien lag aber im Südosten in den Städten entlang der syrischen Grenze. In den grenznahen Hochburgen des IS, den Großstädten Urfa und Gaziantep, wurden Hunderte Verdächtige verhaftet. Dabei wurden offenbar wichtige Dokumente, mehrere Millionen Lira, Waffen und Sprengstoff beschlagnahmt. In Ankara soll ein IS-Anschlag verhindert worden sein.

Das korrespondiert mit dem Vorrücken der türkischen Armee in Nordsyrien. Die IS-Hochburg al-Bab sei nun vollständig eingeschlossen, meldete am Montag die syrische Beobachtungsstelle in London. Während türkische Truppen mit ihren syrischen Verbündeten im Norden, Osten und Westen der Stadt stünden, hätte die syrische Armee mit russischer und iranischer Unterstützung von Aleppo kommend den Süden al-Babs jetzt vollständig unter Kontrolle.

Mit dem Vorgehen gegen den IS versuchen Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung nicht nur weitere Anschläge zu verhindern, sondern auch den Eindruck zu zerstreuen, sie würden weiter mit den islamistischen Terroristen kooperieren. Das passt aber auch zu der veränderten Lage in Syrien. Seit Erdoğans Zusammenarbeit mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hat die Türkei akzeptiert, dass Baschar al-Assad zumindest vorläufig an der Regierung bleibt. Deshalb gibt es kaum noch einen Grund, weiter heimlich den IS zu unterstützen.

Zudem dürfte die AKP erschrocken sein, wie weit der IS die Türkei unterwandert hat. Über 800 Festnhamen an einem Wochenende zeigen, dass die Islamisten in allen wichtigen Städten präsent sind und eine enorme Gefahr darstellen.