Deutsche Bank sucht nach dem Geschäftsmodell

Bilanzen Russland-Affäre könnte der Großbank eine weitere Milliardenstrafe einbringen

Zwei Türme, die sich selbst zum Einsturz bringen Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

HAMBURG taz | Noch lange nach der Finanzkrise wurden in der Deutschen Bank krumme Geldgeschäfte gedreht. Die Aufsichtsämter in New York und London verhängten eine Geldstrafe von umgerechnet rund 600 Millionen Euro. Die Behörden werfen der letzten deutschen Großbank vor, dass russische Kunden bis 2015 durch Aktiengeschäfte Rubel in Euro, Dollar und Pfund wuschen – insgesamt fast 10 Milliarden Euro. Die US-Justizbehörde prüft laut Medienberichten am Mittwoch eine weitere Milliardenstrafe.

Dabei muss Bankboss Cryan auf der heutigen Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2016 noch ganz andere Fragen fürchten. Erst vor wenigen Wochen hatte sich Bankchef John Cryan mit dem Ministerium auf eine Vergleichszahlung von rund 7 Milliarden Euro geeinigt, wegen krummer Hypothekengeschäfte vor der Krise. Weitere Strafen drohen weltweit in mehreren tausend Rechtsfällen. So klagt nun auch Blackrock, der zweitgrößte Aktionär des Geldhauses.

Die Zukunft der 1870 für den deutschen Außenhandel gegründeten Bank scheint ungewisser denn je. Zwar hat die Umsetzung der vor gut einem Jahr verkündeten „Strategie 2020“ begonnen. Doch die Operation der überalterten Informationstechnik „am offenen Herzen“ erweist sich als schwierig. Schon andere Finanzdienstleister wie Ergo mussten erfahren, dass die Modernisierung maroder IT-Systeme ein Jahrzehnt lang dauern kann. So viel Zeit hat Cryan nicht. Allein angesichts der Konkurrenz durch neu gegründete Fintechs.

Auch die Zukunft der Postbank mit ihren mehr als 10 Millionen „kleinen“ Kunden ist fraglich. Ein Verkauf ist in weite Ferne gerückt. Doch Niedrigstzinsen und die Konkurrenz von Sparkassen und erfolgreichen Direktbanken wie Comdirect lassen im ohnehin übersättigten Finanzmarkt kaum Gewinne zu.

Äußerungen aus den oberen Etagen nähren Zweifel, ob es überhaupt eine durchdachte operative Idee gibt. Langjährige Beobachter der Bank – zu deren Kunden auch US-Präsident Donald Trump zählen soll – schweigen lieber irritiert. Man höre „immer nur etwas gerüchteweise“.

Aus ihrer „Dauerdepression“ komme die Deutsche Bank so nicht raus, warnt Professor Rudolf Hickel. „Ihr fehlen das Vertrauen und vor allem ein nachhaltiges Geschäftsmodell“, sagt der Finanzmarktexperte. Ihre alte Stärke, das spekulative Investmentbanking, sei durch die Finanzmarktkrise „verbrannt“. Auch Bankanalysten haben das Vertrauen verloren.

Aus der „Dauer­depression“ kommt die Deutsche Bank so nicht raus

Aus dem wichtigen Aktienindex „Euro Stoxx“ flog die Bank raus. Mit einem Börsenwert von 25 Milliarden Euro ist das frühere Spitzeninstitut in Europa weiterhin ein kleiner Spieler im Vergleich zur französischen BNP Paribas (74 Milliarden Euro) oder der britischen HSBC (157). „Die Deutsche Bank ist derzeit nicht einmal mehr als Übernahmekandidat attraktiv“, meint nicht nur Hickel. Dennoch halten sich unter Bankern und Gewerkschaftern Gerüchte, dass eine von 100.000 auf 75.000 Beschäftigte geschrumpfte Bank schön gemacht werden soll für eine Fusion mit der teilverstaatlichten Commerzbank.

Hermannus Pfeiffer