Ärztestreikführer kommen hinter Gitter

Kenia Eskalation nach zwei Monaten Arbeitskampf im Gesundheitswesen. Streik könnte sich ausweiten

Medizinstudenten in Nairobi bei einer Soli-Kundgebung Foto: picture alliance

Aus Nairobi Ilona Eveleens

Seit zwei Monaten streiken Kenias Ärzte. Jetzt rückt eine Lösung des Arbeitskampfs, der rund 5.000 Ärzte in Kenias staatlichen Krankenhäusern betrifft, in noch weitere Ferne: Ein Richter verurteilte am Montag sieben Leiter der Ärztegewerkschaft zu einem Monat Haft, weil sie sich weigerten, zur Rückkehr an die Arbeit aufzurufen.

„Es würde mich nicht wundern, wenn wir Krankenschwestern aus Solidarität auch streiken“, sagt Miriam Muindi. Sie ist seit 24 Jahren Krankenschwester und versteht die Ärzte. „Wir haben oft zu wenig Medikamente, medizinische Geräte sind nicht vorhanden oder kaputt. Und die Bezahlung ist schlecht und wurde in den letzten Jahren schlechter.“

Miriam Muindi arbeitet im Saitoti-Gesundheitszentrum in Kitengela außerhalb der Hauptstadt Nairobi. Das Wartezimmer ist voll mit Frauen und weinenden Babys. Krankenschwestern wiegen die Kinder, impfen sie und notieren die Ergebnisse in billigen Schulheften, die die Eltern selbst kaufen müssen. „Seit die Ärzte streiken, können wir wenig mehr tun als postnatale Behandlungen“, sagt Muindi. „Patienten mit schweren Krankheiten oder Verletzungen müssen in Privatkliniken oder Missionskrankenhäusern gehen.“

Die Ärzte verdienen umgerechnet rund 1.300 Euro im Monat und wollen eine Gehaltserhöhung von 300 Prozent. Sie berufen sich auf eine Abmachung aus dem Jahr 2013. Die Behörden weigern sich aber, sie zu implementieren, weil sie den Leitlinien für öffentliche Bediensteten widerspreche, wie es heißt.

Die niedrigen Gehälter treiben Kenias Ärzte in die Emi­gra­tion, meint Dr. Ouma Oluga, Leiter der medizinischen Gewerkschaft KMPDU, der jetzt im Gefängnis ist. Vor seiner Festnahme sagte er zur taz: „Sobald sie die Chance bekommen, gehen kenianische Ärzte ins Ausland. Auch anderswo in Afrika können sie mehr verdienen. Wir brauchen jedes Jahr 1.200 zusätzliche Ärzte.“

Es gibt in Kenia laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Arzt für 5.000 Menschen – in Deutschland ist es einer pro 260. Die Regierung will nun auch noch die Streikenden entlassen. Gleichzeitig versichert sie, man müsse sich keine Sorgen machen. „Kenia wird Ärzte aus Kuba und Indien anstellen, um das Defizit zu stopfen“, sagt das Gesundheitsministerium.

Gewerkschaftsführer Oluga findet das bizarr. „Wie viel kosten Flugscheine und Hotelzimmer? Die Regierung verhandelt nicht.“

„Wir haben oft zu wenig Medikamente, Geräte sind kaputt“

Miriam Muindi, Krankenschwester

Während des Ärztestreiks wurde ein Korruptionsskandal im Gesundheitsministerium bekannt. Für über 500.000 Euro Ausgaben gibt es keine oder nur unglaubwürdige Belege. So soll das Ministerium Schubkarren gekauft haben – für je 1.000 Euro. Darüber hinaus haben sich die 416 Parlamentsabgeordneten selbst eine einmalige steuerfreie Zahlung von etwas über 100.000 Euro gewährt. Kenias Abgeordnete sind schon die zweitbestbezahlten der Welt, nach ihren nigerianischen Kollegen.

„Das zeigt, dass die Regierung sich nicht um die Bevölkerung schert“, schimpft Dr. Oluga. „Es gibt kein Geld, um die medizinische Versorgung zu verbessern, aber für Parlamentarier ist genug Geld da.“

Er gibt zu, dass die Opfer des Arbeitskampfs zunächst die Kenianer selbst sind. Staatliche Krankenhäuser und Kliniken sind mit Abstand die billigste Gesundheitsversorgung in Kenia, und die Ärmsten sind darauf angewiesen.

Die Regierung will nun deeskalieren. Am Dienstag kündigte der Gesundheitsminister an, die Regierung selbst werde Berufung gegen die Inhaftierung der Streikführer einlegen.