330 Millionen verstehen das gut

SPRACHWAHL Spanisch ist in Berlin als Fremdsprache gefragt, bei Schülern wie bei Erwachsenen. Anreize sind Urlaub und Job

Die Nachfrage für Spanisch ist seit rund 15 Jahren stetig gewachsen

VON VERENA MÖRATH

„¡Holá! Me llamo Line! ¿Y tú, cómo te llamas? Me llamo Johanna. ¿De dónde eres? Soy de Alemania. Vivo en Berlin. ¿Y tú?“ Line und Johanna, beide 12 Jahre alt, sitzen auf dem Sofa und üben Spanischdialoge. Seit diesem Schuljahr lernen die Siebtklässlerinnen Spanisch als zweite Fremdsprache auf einem Berliner Gymnasium. Dreiviertel ihrer Klasse haben sich für Spanisch entschieden. Für die Schülerinnen Line und Johanna stand schnell fest, dass sie Spanisch wählen. „Es ist leichter zu lernen als Französisch und es ist eine schöne Sprache, weil man das „rrr“ so toll rollen kann“, findet Johanna. Line hat noch ein weiteres Argument: „Es wird von mehr Menschen und in mehr Ländern als Französisch gesprochen, das finde ich besser!“

Line hat recht: Für rund 330 Millionen Menschen in 21 Ländern ist Spanisch die Muttersprache, für weitere gut 100 Millionen die Zweitsprache. Auch 13 Prozent der Einwohner der Vereinigten Staaten sprechen Spanisch. Außerdem wird in Regionen des ehemaligen spanischen Einflussbereichs, etwa den Philippinen, den Antillen und in verschiedenen Küstenregionen Afrikas Spanisch gesprochen. Spanisch zählt auch zur offiziellen Amtssprache in der Europäischen Union und der Organisation Amerikanischer Staaten sowie bei den Vereinten Nationen. Nicht zu vergessen: Spanien nimmt einen der vordersten Ränge in der internationalen Liste bevorzugter Urlaubsländer ein. Es gibt also gute Gründe Spanisch zu lernen! Das beherzigen immer mehr Schüler in Berlin.

Zwar dominiert berlinweit Französisch als zweite Fremdsprache, aber Spanisch gewinnt in den insgesamt 323 weiterführenden öffentlichen und privaten Schulen langsam an Terrain. Insgesamt lernten im Schuljahr 2011/12 knapp 17.000 Schüler und Schülerinnen Spanisch. Ein Jahr zuvor waren es noch rund 3.500 weniger. Beliebt ist die Sprache in allen Altersgruppen. „Die Nachfrage für Spanisch ist seit rund 15 Jahren stetig gewachsen“, sagt Stefan Bruns, Programmleiter für Fremdsprachen an der Volkshochschule (VHS) in Berlin-Mitte. Die insgesamt 12 VHS sind der größte Anbieter für Fremdsprachen in Berlin. Und das sagt ihre Statistik von 2011: Es wurden 740 Spanischkurse für 8.200 Teilnehmende angeboten. Nur der Englischbereich ist größer. „Spanisch hat Französisch und Italienisch längst überholt“, erzählt auch Maxi Heußer-Knabe, Leiterin von „Die Neue Schule“. Nach Englisch werde Spanisch in ihrer Sprachschule am häufigsten belegt. „Viele junge Leute bringen heute schon Vorkenntnisse aus der Schule mit“, betont sie und bestätigt Stefan Bruns Einschätzung, dass die meisten Sprachschüler eher nur die Anfängerkurse machen. „Sie wollen mit diesen Grundkenntnissen entweder ihre Jobchancen in der freien Wirtschaft und im Tourismus, in den Bereichen Medien oder Kultur erhöhen oder aber die Voraussetzungen für ein Auslandsstudium oder ein Praktikum in Spanien, Süd- und Mittelamerika erfüllen. Aber viele lernen Spanisch ganz schlicht, um sich auf ihren Reisen verständigen zu können.“

Ein deutlich gestiegenes Interesse an Sprachkursen verzeichnet auch die spanische Kulturvertretung Instituto Cervantes. „Allerdings müssen wir mit den vielen Sprachschulen, Privatdozenten und dem Tandemunterricht konkurrieren“, meint Mitarbeiter Lars Schepull. Pluspunkt für das Institut sei aber, dass hier staatlich anerkannte Sprachdiplome verliehen werden. „Spanisch ist einfach ‚in‘, weil klar geworden ist, dass Spanien und weite Teile Süd- und Mittelamerikas ein riesiges Betätigungsfeld für die spanische Sprache darstellen“, so Schepull.

Aber nicht nur auf Reisen, für die Schule, im Studium oder im Job sind Spanischkenntnisse von Vorteil. Längst können wir in Berlin damit trumpfen. 2011 reisten 235.000 spanische Touristen an, und das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg verzeichnete im Juni 2012 ein Plus von 22 Prozent Zuzüglern aus Spanien. Sie kommen nach Berlin, um zu studieren, oder sie verlassen die krisengebeutelte Heimat, um hier Arbeit zu finden. „Letztens war ich sonntags am Mauerpark und dachte, ich bin ich Barcelona“, kommentiert Maxi Heußer-Knabe den spanischen Einfluss in der Hauptstadt.

Das bedeutet auch: Einen Mangel an hoch qualifizierten Sprachlehrern und -dozenten gibt es aktuell und wohl in Zukunft eher nicht, sind sich Schulverwaltung und Fremdspracheninstitute einig. „Wir haben viel mehr muttersprachliche und gut ausgebildete Bewerber als wir einstellen können“, meint Maxi Heußer-Knabe. Auch die VHS hat einen Bewerberüberhang. „Viele sehr gut ausgebildete Akademiker kommen aufgrund der Krise aus Spanien und suchen eine Anstellung“, so Stefan Bruns, „wir können unter den Besten auswählen.“

Line und Johanna denken noch nicht daran, wofür sie ihr Spanisch später einmal brauchen. Wichtig ist heute, wie man auf Spanisch ein Wasser bestellt: „Yo quiero una água, por favor!“