SPD fasst sich ein Herz – für Arbeitnehmer

PARTEITAG Neue Führung will Politik „an den Interessen der breiten Arbeitnehmerschaft ausrichten“. Vermögensteuer gefordert

DRESDEN taz | Die SPD ist am Wochenende auf ihrem Parteitag in Dresden vorsichtig nach links gerückt, ohne mit ihrer eigenen Regierungspolitik in den vergangenen elf Jahren zu brechen. So wurde unter anderem beschlossen, dass die 1995 abgeschaffte Vermögensteuer wieder eingeführt werden solle. Diese Forderung war in dem Leitantrag der SPD-Spitze um den neu gewählten Vorsitzenden Sigmar Gabriel nicht enthalten und wurde erst auf Druck der Juso-Chefin Franziska Drohsel übernommen.

Über die Rente mit 67 und Hartz IV will die SPD nur weiter kritisch diskutieren. Beides habe zwar zu der Niederlage bei der Bundestagswahl beigetragen, gefragt seien nun aber bei der Rente flexible Lösungen mit Altersteilzeit und keine Rückkehr zur Rente mit 65, erklärte Gabriel.

Der neue Parteivize Klaus Wowereit sagte im taz-Interview: „Die Arbeit liegt mit diesem Parteitag nicht hinter uns, sie liegt vor uns.“ Entscheidend sei, dass die SPD Glaubwürdigkeit zurückgewinne, betonte Wowereit. „Für eine linke, aber immer auch realitätsnahe Politik.“

In dem Leitantrag, der mit nur einer Gegenstimme angenommen wurde, heißt es: „Sozialdemokratische Politik soll sich insbesondere an den Interessen der breiten Arbeitnehmerschaft ausrichten.“ Angesichts der SPD-Kompromisse in der großen Koalition zur Bahn-Privatisierung wurde festgehalten, dass SPD-Minister „nicht gegen elementare Parteitagsbeschlüsse handeln“ dürften. Die Forderung nach einem konkreten Datum für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fand keine Mehrheit.

Auf ihrem Parteitag griff die SPD außerdem die Politik der neuen schwarz-gelben Koalition an. Die Steuerpolitik von Union und FDP nutze einseitig Vermögenden, die Gesundheitspolitik bürde den Versicherten höhere Beiträge auf. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte an, die SPD werde „Gegenmacht“ zur schwarz-gelben Politik der Entsolidarisierung sein.

Der neue Parteichef Gabriel will zudem, dass die SPD 2010 ein umfassendes Steuerkonzept vorlegt. Darin wird neben der Vermögensteuer auch die Börsenumsatzsteuer eine Rolle spielen. Außerdem sollen Subventionen gestrichen werden.

Die Linkspartei kritisierte den SPD-Beschluss zur Vermögensteuer als unglaubwürdig. „Die SPD hatte elf Jahre in der Regierung Zeit, die Vermögensteuer einzuführen, und hat keinen Finger dafür gerührt“, sagte Linken-Vize Klaus Ernst. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich erklärte, dass die SPD „mächtig nach links abzurutschen droht“. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hielt der SPD vor: „Sie flüchtet immer weiter in die linke Ecke.“ Nur die Kritik von Jürgen Rüttgers, CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, klang anders. Er warf Gabriel keinen Linksschwenk vor, sondern monierte, dass der neue SPD-Chef seine Rede „ohne eine einzige inhaltliche konkrete Festlegung“ gehalten habe. SR

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