Ist es richtig, dass Bausparkassen jetzt alte Verträge kündigen dürfen?

Zinsen

JA

Werden die armen Sparer etwa schon wieder betrogen? Nein. Es ist kein Skandal, dass der Bundesgerichtshof jetzt geurteilt hat, dass Bausparkassen manche Verträge einseitig kündigen dürfen. Denn es geht um einen speziellen Fall: Es handelt sich um Alt-Verträge, die längst zuteilungsreif sind. Doch die Kunden nahmen keinen Baukredit in Anspruch, sondern sparten einfach weiter – um weiterhin von den hohen Zinsen zu profitieren.

Diese Alt-Verträge wurden meist vor mehr als 20 Jahren geschlossen, als die Finanzwelt noch in Ordnung war. Damals gab es 2 bis 3 Prozent Zinsen, wovon Sparer heute nur träumen können. Ein Alt-Vertrag bei einer Bausparkasse war also bares Geld wert.

Doch diese schönen Zeiten sind nun endgültig vorbei. So bitter es ist: Es gibt kein Menschenrecht auf Zinsen. Sie können nur gezahlt werden, wenn die Wirtschaft wächst.

Doch die Eurozone schwächelt noch immer, weswegen auch die Zinsen auf Talfahrt sind. Auf Dauer wäre es für niemanden ein gutes Geschäft gewesen, diese ökonomische Logik nun ausgerechnet bei den Bausparkassen auszuhebeln. Hätten sie weiterhin hohe Zinsen zahlen müssen, wären einige Institute wahrscheinlich in die Pleite gerutscht. Die Kunden hätten dann nicht nur um die Zinsen gebangt, ­sondern auch um ihr eingezahltes Geld.

Die Malaise bei den Bausparkassen ist übrigens erst der Anfang der Krise: Bald werden alle Banken wanken, wenn die Zinsen weiterhin niedrig bleiben. Auch normale Sparkassen kommen dann in Schwierigkeiten, denn jede Bank lebt von der Marge, die sich zwischen Guthaben- und Kreditzinsen auftut. Doch diese Differenz tendiert gegenwärtig gen null.

Deutsche neigen dazu, die Eurokrise zu ignorieren. Doch sie hinterlässt auch hierzulande tiefe Spuren – auf den Sparbüchern. Zinsen wird es erst wieder geben, wenn die Wirtschaft in der Eurozone wächst.

Wie lässt sich das erreichen? Das ist das Thema. Es sind nicht die Bausparkassen. Ulrike Herrmann

NEIN

Ein langfristiger Vertrag, bei dem Zinsen eine Rolle spielen, ist immer eine Wette: Die Bank oder die Bausparkasse wettet darauf, dass die Wirtschaft im Allgemeinen und die Zinsen im Speziellen sich so entwickeln, dass sie dabei einen guten Deal macht. Der Verbraucher wettet darauf, dass er zumindest keinen grottenschlechten Deal macht. Denn wie bei einer Wette gilt auch hier: Die besseren Karten hat der Beteiligte mit dem Informationsvorsprung und den meisten Juristen, und das ist nun mal in der Regel das Geldinstitut.

Doch nun hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil, dass die Institute gut verzinste Altverträge kündigen dürfen, leider auch noch den kleinen, unwahrscheinlichen Fall, dass der Kunde nicht nur keinen grottenschlechten, sondern einen ganz guten Deal macht, abgeschafft. Das Risiko der Wette liegt damit genau auf einer Seite: beim Kunden. Das ist nicht nur unfair, sondern widerspricht auch der eigenen Werbestrategie der Institute, die das Bausparen jahrelang als flexible Anlageform bewarben. Zumal sie mit den heute ungewollten Kunden über Jahre ganz gut Geld verdient haben. Und sollte den Instituten umgekehrt bei längerer Zahlung der vereinbarten Zinssätze der Bankrott drohen, spräche das nicht gerade für umsichtiges Wirtschaften.

Man kann jetzt überlegen, was das Urteil für das Vertrauen in Banken, Bausparkassen und Geldanlagen bedeutet, aber erstens ist das vermutlich spätestens seit der Finanzkrise eh nur noch in Spuren vorhanden, und zweitens ist Vertrauen vielleicht nicht unbedingt die Maßeinheit für Beziehungen zu Banken.

Was es aber braucht: Rechtssicherheit. Verträge müssen eingehalten werden. Die Institute selbst fordern das häufig genug von ihren Kunden, und das, selbst wenn das eigene Geschäftsgebaren eher unredlich ist – man denke an überhöhte Dispozinsen.

Aber vielleicht ist das Teil des Problems: Wer ohnehin keinen Ruf mehr zu verlieren hat, muss sich um Verbraucherfreundlichkeit auch nicht kümmern. Svenja Bergt