brüsseler spitzen
: Ach,Europa

die eu-parlamentskolumne

von Eric Bonse

Für Brüsseler Verhältnisse ist es schön geworden, das neue Heim des Europäischen Rats. „Europa“ heißt der Prachtbau, von außen sieht er aus wie ein riesiges Ei in Glashülle. Abends, wenn Kanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Chefs tagen, leuchtet es sogar. Europa leuchtet! Auch drinnen soll es nett sein. Modern und bunt. Manch einem zu bunt. Das Farbkonzept erinnere an das alte Testbild im Fernsehen, meint ein ZDF-Korrespondent. Und was meint Merkel? „Ich gehe da jetzt zum ersten Mal rein und bin selbst gespannt!“

Nur zu gut wissen wir dagegen, dass die Stimmung in „Europa“ an diesem Abend auf dem Tiefpunkt war. Ausgerechnet beim ersten EU-Gipfel im neuen Haus haben sich die 28 Staats- und Regierungschefs zerstritten. Erst alle gegen eine, dann eine gegen alle.

Polen, Sie wissen schon. Merkel wollte den polnischen Liberalen Donald Tusk im Amt bestätigen, die polnischen Rechtsnationalen waren dagegen. Und dann saß Ministerpräsidentin Beata Szydło plötzlich ganz allein im knallbunten „Europa“-Saal.

Da wurde es ihr zu bunt, und sie blockierte alle Gipfelbeschlüsse. Plötzlich war es vorbei mit der Einheit, die „Europa“ doch symbolisieren soll. Szydło schimpfte. Auf Merkel. Auf Tusk. Auf den „Verrat an Prinzipien“. Auf alles.

Kein guter Auftakt war das für den ersten Gipfel unter dem neuen Dach. Ein bisschen war es, als sei das Dach schon leckgeschlagen. Und als habe „Europa“ aufgehört zu leuchten. Wenigstens der Ostflügel. Obwohl es da besonders voll war.

Selten hat es einen so großen Andrang auf einer polnischen Pressekonferenz gegeben. Szydło war sichtlich erregt, als sie vor die Journalisten trat. Ein gefährlicher Präzedenzfall sei das und ein trauriger Tag.

Sie sei den Tränen nah gewesen, ­berichteten Journalisten hinterher. Demonstrativ entspannt gab sich dagegen Kanzlerin Merkel, aus polnischer Sicht die Chefin des neuen „­Europa“. Die Polen würden schon an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Fragt sich nur, wann. In zwei Wochen will die EU ihren Jubiläumsgipfel in Rom zelebrieren. Dann steht der 60. Geburtstag der Römischen Verträge an, die als Geburtsurkunde der EU gelten. Bis dahin müssten die Polen ins gemeinsame Haus zurückgekehrt sein.

Doch unter dem Dach von „Europa“ sah es nicht danach aus. Szydło drohte, sich weiter querzustellen. Das erste Treffen im neuen Gipfelzentrum wird als Flop in die Geschichte eingehen. Das Leuchten war trügerisch.