Locker bleiben

Heute: Wie man von den Besten der Besten lernt und dabei gelassen und gelangweilt wird

Wer hat es geschrieben? Stressexperte Louis Lewitan, Promiflüsterer und diplomierter Psychologe. Normalerweise berät er Unternehmen aller Größen, wie sie am besten Konflikte lösen.

An wen richtet es sich? Drunter macht er’s nicht: Nicht nur die Interviewten sucht Lewitan in höheren gesellschaftlichen Riegen, sondern auch sein Publikum. Politiker, Investoren und Manager sollen ermuntert werden, ihr Image in Bezug auf Stressresistenz abzuklopfen.

Wie sieht es aus? Das Cover ist in einem dunklen Rot gehalten, die Namen der Promis sind im Hintergrund aufgelistet. Der Titel, weiß-orange, ist Programm: Beine hochlegen und berieseln lassen.

Was steht drin? Lewitan ist auf die zündende Idee gekommen, mal bei denen da oben nachzufragen, wie sie mit Stress umgehen. Jedes der 32 Interviews mit den „Besten“ – gerade mal sieben davon sind Frauen – schließt mit einem Fazit ab, in dem er noch einmal phrasenhaft herausstreicht, was ihm nachahmenswert erscheint. So richtig viel Neues gibt’s aber nicht zu erfahren. Dieter Hildebrandt nimmt ein Taxi, um nicht zu spät zu kommen. Und Stefan Aust hat sich über Stress noch nie Gedanken gemacht.

Besonders abstoßend? Wie Lewitan es schafft, aus jedem einzelnen Gesprächspartner Platituden herauszukitzeln. Dabei stört es ihn noch nicht mal großartig, dass die einzelnen Anti-Stress-Fahrpläne am Schluss jedes Interviews sich zum Teil widersprechen. Beispielsweise lernt man von Dagmar Metzger: „Man darf sein eigenes Ansehen nicht aufs Spiel setzen und sich selbst desavouieren. Stehen Sie zu Ihren Versprechen.“ Von Barbara Rudnik, die Lewitan eines ihrer letzten Interviews gab, will der Autor weitervermitteln: „Sie müssen gar nichts! Weigern Sie sich, die Erwartungen anderer zu erfüllen oder etwas Besonderes sein zu müssen!“

Besonders anziehend? Die Optik von Foto und Wort. Schöne Schwarzweißfotos der Interviewten ergänzen die grafische Ästhetik. Lewitan benutzt in seinen Fazits überwiegend schöngeistige, beruhigende Worte wie Liebe, Romantik, Atemmeditation.

Der Satz, der Ihr Leben verändert: Stammt von Doris Dörrie: „Ich stelle mir den Tod vor, sehe mich als Skelett an seiner Seite und frage mich dann selbst als Tote, was ich von dem halte, was ich gerade im Leben mache.“

Ausgestiegen auf: Seite elf. Schon in der Einführung wird man überfrachtet mit Vorschlägen, die wahlweise auf neuerdings abstinente Alkoholiker wie auf Diätwahnsinnige passen: „Belohnen Sie sich für jeden noch so kleinen Erfolg.“

Gesamturteil: Gelassen oder gelangweilt, so genau kann man den Zustand nicht benennen, in dem man sich nach der Lektüre befindet. Ruhig macht es allemal, wenn man nicht vorher schon eingeschlafen ist. In größtenteils humorlosen Passagen können die Gesprächspartner erzählen, was sie wollen, gerne auch mit Eigenpromo. Schuld ist daran eigentlich der Interviewer, der mit seinen Fragen einfach nicht zum Punkt kommen will. Lewitans größte Leistung ist es, sich hingesetzt und 32 nichtssagende, nicht enden wollende Plaudereien aufs Papier gebracht zu haben. FRANZISKA LANGHAMMER

Louis Lewitan: „Die Kunst, gelassen zu bleiben. Den Stress meistern – Erkundungen bei den Besten“. Ludwig, 304 Seiten, 19,95 €