Missbrauch von 16-Jähriger an der Charité

SEXUELLE GEWALT Klinik informierte Polizei nicht – und versuchte eine Woche lang, intern zu ermitteln

Die 16-jährige Jugendliche, die vergangene Woche in die Virchow-Kinderklinik der Charité eingeliefert wurde, war vollkommen schutzlos. Sie war im Zuge einer Notfallüberweisung aus Neukölln mit Medikamenten ruhiggestellt worden. Ein Pfleger missbrauchte seine Macht über die Jugendliche und verging sich sexuell an ihr. Eine Anzeige gegen den Pfleger erfolgte aber zunächst nicht.

Dieser neuerliche Fall schweren sexuellen Missbrauchs an einer Berliner Klinik verstört die Öffentlichkeit. Erst im April war ein Pfleger der Helios-Kliniken wegen mehrfacher sexueller Gewalt gegen Patienten verurteilt worden. Auch die Charité steht nach dem Tod eines Frühchens nun erneut in schlechtem Licht da. Nach Informationen der taz stimmt die erste Fallschilderung der Bild-Zeitung allerdings nur teilweise: Das betroffenen Mädchen war nicht in Vollnarkose, und es wurde auch nicht Opfer einer Vergewaltigung.

Dennoch ist der schwere Übergriff für das Mädchen und die Charité eine Katastrophe. Ein Sprecher des Universitätskrankenhauses bestätigte gegenüber der taz, „dass es bereits vor dem Übergriff Gerüchte über die sexuellen Neigungen des Täters gegeben hat. Diese sind aber den zuständigen Stellen der Charité nicht weitergereicht worden.“ Der Leiter der Charité, Karl Max Einhäupl, sagte, es seien inzwischen drei weitere Übergriffe und Missbräuche des mutmaßlichen Täters mitgeteilt worden. Der Mann arbeitet seit 40 Jahren an der Charité, er war dabei jeweils in Kinderabteilungen beschäftigt.

Einhäupl zeigte sich sehr unzufrieden mit der Art des Umgangs in seinem Haus mit dem Fall: „Warum hat dieser Mann über Jahre Dinge in der Charite tun können, an denen ich nicht mehr zweifle? Wieso konnten wir ihn nicht identifizieren und aus dem Dienst entlassen?“, fragt er. Der Klinikchef kündigte weit reichende Maßnahmen innerhalb des Hauses an, zunächst die Einrichtung einer Informations-Hotline für Eltern. „Wir werden die Informationspolitik der Charité vom Kopf auf die Füße stellen“, sagte er.

Weder die Eltern noch das Krankenhaus hatten nach der Tat Anzeige erstattet. Die Charité, so hieß es, verzichtete darauf aus arbeitsrechtlichen Gründen. Das Krankenhaus habe den mutmaßlichen Täter nach dem Übergriff aber sofort vom Dienst suspendiert. Dann seien interne Ermittlungen gegen den Mann eingeleitet worden. Auch die Polizei nahm am gestrigen Mittwoch Ermittlungen auf. CHRISTIAN FÜLLER