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Karriere mit Körper und Geist

INNOVATIV Die Berliner Gesundheitswirtschaft bietet Absolventen beste Berufschancen – auch wegen des demografischen Wandels. Für Geflüchtete gibt es ebenfalls Angebote

Glückliche Pfleger? Noch zukunftsträchtiger sind Jobs in der Medizintechnik Foto: Karsten Thielker

von Mirko Heinemann

Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, aber sie verbindet eine ganz besondere Lebenserfahrung. Die zwanzig Frauen und Männer, die an dem Berliner Qualifizierungsprojekt „SpraBo“ teilnehmen, sind nicht freiwillig in Deutschland. Sie mussten aus ihrer Heimat fliehen. Nun wollen sie arbeiten. Geld verdienen. Leben.

„SpraBo“ bedeutet Sprachkompetenz und Berufsorientierung für Geflüchtete. So nennt sich das Qualifizierungsprojekt von Vivantes und der Charité Gesundheitsakademie, das im Dezember begonnen hat. Die 20 TeilnehmerInnen bekommen hier einen Einblick in verschiedene Gesundheitsberufe und können anschließend eine staatlich anerkannte Ausbildung absolvieren. „Es liegt im Interesse Berlins, Zugewanderten eine Perspektive aufzuzeigen. Und die Gesundheitsbranche bietet viele zukunftssichere Beschäftigungsmöglichkeiten“, erklärt Andreas Germershausen, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, der das Projekt ins Leben gerufen hat. Bis Ende 2018 sind drei weitere Kurse geplant.

Es sind solche Initiativen, die Berlins Ruf als Innovationscluster der Gesundheitsbranche festigen. Die Branche ist für Absolventen höchst attraktiv, und wer Karriere machen möchte, findet beste Voraussetzungen vor. Der demografische Wandel sorgt für rapide steigende Nachfrage in den Bereichen Pflege und Sozia­les. Medizintechnikunternehmen fahnden nach qualifiziertem Nachwuchs aus den Bereichen Medizin, Chemie, Biologie, IT und Ingenieurswissenschaften. Und die hiesige Gesundheitsforschung muss einen internationalen Spitzenplatz verteidigen. Berlin bietet allen etwas: vielfältige Hochschulen, attraktive Netzwerke, gute Startbedingungen für Gründer sowie eine traditionsreiche Unternehmenslandschaft. Davon ist auch Kai Uwe Bindseil überzeugt, der den Geschäftsbereich Gesundheitswirtschaft bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner leitet: „Unsere Vision ist es, die Hauptstadtregion weiter zu einem international führenden Gesundheitsstandort auszubauen.“

Hohe Wachstumsraten und eine hohe Gründungsdynamik verzeichnet insbesondere die Schnittstelle der Gesundheitswirtschaft zur Informationstechnologie. Zahlreiche Start-ups aus Berlin machen von sich reden – wie Neuronation, deren mobile App für Gehirnjogging über vier Millionen Nutzer begeistert. Viomedo, das Patienten klinische Studien für ihre Erkrankung zur Verfügung stellt. M-sense, das eine zertifizierte Medizin-App für Migräne- und Kopfschmerzpatienten entwickelt hat. Kenkodo mit seiner App zur Stoffwechselkontrolle.

Die Recruiting-Messe findet am 24. und 25. März in der Urania Berlin zum zehnten Mal statt. Etwa 100 Aussteller aus der Gesundheitswirtschaft zeigen Berufsfelder und Karrierchancen in ihren Unternehmen auf. An den Messeständen können Interessierte mit Mitarbeitern aus den Unternehmen ins Gespräch kommen; darunter sind Branchenvertreter aus Medizin, Biotechnologie, Medizintechnik, Pflege und Therapie. Außerdem werden u. a. Bildungsangebote vorgestellt, und es gibt eine große Stellenbörse. Thematischer Schwerpunkt in diesem Jahr ist die Ernährung. (mh)

www.gesundheit-als-beruf.de

Oder Alacris Theranostics, Träger des deutschen Innovationspreises. Das Unternehmen hat sich auf die Verbesserung von Krebspharamazeutika spezialisiert. Mit einer eigens entwickelten Virtualisierungssoft­ware wird auf Basis großer Datenmengen ein „Virtuelles Patientenmodell“ erstellt. Damit lassen sich Wirkungen von Medikamenten vorhersagen – und zwar individuell, also direkt auf den Patienten zugeschnitten. Seinen Standort lobt Alacris-Geschäftsführer Bodo Lange nur zu gern: Berlin sei ein spannender Ort für Start-ups mit vielen Möglichkeiten der Vernetzung mit den Berliner Universitäten, Forschungsinstituten und Kliniken. Und dies erleichtere nicht zuletzt die Rekrutierung von guten Fachkräften.

Das gilt auch für die Me­dizintechnikbranche, die in der Hauptstadtregion ebenfalls gut aufgestellt ist. Dazu gehören Unternehmen wie der Hersteller Biotronik, der Implantate für die Herzrhythmustherapie produziert. Das Unternehmen wurde kürzlich als einer der besten Arbeitgeber in Deutschland ausgezeichnet. Ebenfalls zu den Toparbeitgebern gehört der Berliner Labormessgerätehersteller Knauer, der in diesem Jahr ­bereits zum zweiten Mal einen Preis als einer der besten mittelständischen Arbeitgeber Deutschlands erhielt.

Die Gesundheitsstadt Berlin steht für Innovation, aber auch Tradition. Pharmafirmen sind hier bereits seit mehr als 100 Jahren ansässig. Ein alteingesessenes Familienunternehmen etwa ist Dr. Kade, das es seit 1886 in Berlin gibt und heute zu den erfolgreichen Unternehmen der Arzneimittelbranche zählt. Heute sind über 400 Mitarbeiter an den Standorten Berlin und Konstanz am Bodensee tätig. Geschäftsführerin Annett Schubert: „Wir waren schon hier, bevor Berlin zum Trend wurde, wir wollen auch in Zukunft in und mit Berlin weiter erfolgreich sein.“