Anfang von Ende beim Haustarif

Für die VW-Führung ist die Vereinbarung über den Bau des Geländewagens nur ein weiterer Schritt, auf lange Sicht die eigentlich bis 2011 geltenden Regelungen zu schleifen

HANNOVER taz ■ Spekulationen über „Lustreisen“ von Betriebsräten, Verluste bei der Stammmarke und ein als knallharter Sanierer bekannter VW-Chef – es ist nicht leicht, in diesen Zeiten bei Europas größtem Autobauer für Arbeitnehmerrechte einzustehen. Dennoch wollte die IG Metall gestern den Kompromiss über den Bau des kleinen VW-Geländewagens als Sieg verkaufen. Das Ergebnis sei ein „positives Signal für die Beschäftigten und die Zukunft des Haustarifvertrags“, so Hartmut Meine, Chef der IG Metall Niedersachsen.

Für die 99.000 Beschäftigten in allen westdeutschen VW-Werken sehe die Vereinbarung „keinerlei Abstriche“ vor. Der im November 2004 ausgehandelte Haustarifvertrag, nach dem diese bis Ende 2011 Kündigungsschutz genießen, gelte weiter.

Fragt sich, wie lange noch. Die 1.000 Azubis, die künftig den Wagen mit dem Arbeitstitel „Marrakesch“ bauen sollen, werden nämlich nach dem Tarif der VW-Tochter Auto 5.000 beschäftigt. Ex-Personalchef Peter Hartz hatte diese Regelung 2001 ausgehandelt – damals allerdings, um Arbeitslose zu beschäftigen.

Derzeit fertigen 3.800 Arbeiter für 2.556 Euro (damals 5.000 Mark) den Minivan Touran. Damit sind sie nicht nur etwa 20 Prozent billiger als die Haustarifler, ihre Arbeitszeiten sind auch deutlich flexibler.

Dass dies das Modell ist, das Volkswagen für künftige Standortentscheidungen innerhalb des Konzerns favorisiert, liest VW-Chef Wolfgang Bernhard offenbar auch aus der Abmachung von gestern Nacht. Während die IG Metall davon ausgeht, dass etwa 1.000 VWler ab 2008 das neue Passat-Coupé zu den Bedingungen des teuren Haustarifs im Emdener Werk produzieren, will Bernhard hier noch „modifizieren“. Wie den Wolfsburgern beim Marrakesch hatte Bernhard auch den Emdenern beim Coupé mit Job-Abbau gedroht, wenn dort nicht „wirtschaftlich“ produziert werde.

Beim darüber hinaus geplanten Volkswagen, der laut Abmachung in ferner Zukunft in Wolfsburg gefertigt werden soll, werden die VW-Bosse noch ungefährer. Weder die Zahl der benötigten Beschäftigten noch das Modell werden genannt. „Entscheidungen dazu stehen noch aus“, so eine VW-Mitteilung.

Wahrscheinlich werden die etwa 50.000 Beschäftigten in Wolfsburg zunächst auf die Nachtzuschläge verzichten müssen. Obwohl das Stammwerk nur zu etwa 60 Prozent ausgelastet ist, wird dort derzeit rund um die Uhr in drei Schichten produziert.KAI SCHÖNEBERG