Rainer SchäferRadikale Weine
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Heimatweine“ nennt Stephan Krämer seine Erzeugnisse. Mit Heimat wird gerne Konservatives verbunden, Krämers Weine sind das Gegenteil: Sie zählen zum Eigenwilligsten, was in deutschen Weingütern entsteht.

Der Winzer muss seine unfiltrierten Weine als Landweine verkaufen, da sie zu „trüb und untypisch“ sind, um eine Amtliche Prüfungsnummer zu erhalten, die in Deutschland „Qualitäts-“ und „Prädikatsweine“ ausweist. Mit seiner Frau Simone betreibt Krämer im fränkischen Auernhofen ökologischen Landbau. Auf 75 Hektar bauen sie Dinkel, Weizen und Gemüse wie Rote Bete und Möhren an. Dazu kommen vier Hektar Reben, die alle auf Steillagen im Taubertal stehen. Neben Silvaner, Scheurebe und Müller-Thurgau kultiviert Krämer auch den seltenen Johanniter.

Vom Wein allein kann und muss Krämer also nicht leben, das öffnet ihm Raum für mutige Experimente. Der Winzer, Jahrgang 1973, erzeugt Wein „in Urproduktion“. Während viele andere im Keller am Geschmack ihrer Weine feilen, denkt Krämer an den Ursprung. Er will so „viel wie möglich am Boden und an der Pflanze sein“. Der Franke will im Weinberg so gut arbeiten, dass er im Keller „nur das Nötigste“ machen müsse. Die Moste lässt er mit eigenen Hefen und ohne Temperaturkontrolle vergären. „Der Wein darf werden“, sagt Krämer. Er bezieht vom letzten Küfer Frankens Holzfässer aus heimischer Eiche, um seinen Wein auszubauen.

Auch verzichtet Krämer auf synthetischen Pflanzenschutz, seine Reben müssen ihr „eigenes Immunsystem aufbauen“. Dabei entwickeln die Trauben eine besondere Phenolstruktur: So erschließen die Weine eine ungewohnte sensorische Dimension, sie verblüffen mit eindrucksvoller innerer Dichte und definieren sich stärker über das Mundgefühl als über die Aromatik.

Er mache „keine Weine für die Nase“, sagt Krämer, vordergründige Frucht sei der „schöne Schein“, der ihn nicht interessiere. Die Rebstöcke für den Silvaner Alte Reben stehen im Röttinger Feuerstein auf Muschelkalk, in dem Feuersteinadern eingeschlossen sind. Der Wein ist präzise und kompakt im Mund, kraftvoll, würzig und animierend. Er begleitet vegetarische Gerichte ausgezeichnet und versteht sich auch gut mit fermentiertem Gemüse.

Heimat muss nicht bieder sein: Heimatweine, wie sie Stephan Krämer erzeugt, können aufregend und avantgardistisch sein.

Silvaner Alte Reben 2015, Stephan Krämer, 12 €, Bezug über www.kraemer-oeko-logisch.de