Auf der Spur der Logen
: Eulen und Bienenkörbe

Weißes Hemd mit schwarzer Weste und Fliege, dunkler Mantel, weißer Seidenschal und auf dem Kopf eine Melone – Günter Hempel wirkt wie aus der Zeit gefallen, wenn er durch die Straßen spaziert. Aber Hempel erkennt, was den meisten nicht auffällt: jahrhundertealte Spuren der Freimaurer, verteilt über die ganze Stadt. In seinen Stadtführungen geht es um die Leipziger Geschichte dieser einst verborgenen Logen.

Die ersten Logen gehen auf mittelalterliche Steinmetzbruderschaften zurück. Während der Aufklärung verbreiteten die Freimaurer ihre fünf Grundsätze: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.

Günter Hempel führt mit seinem verzierten Spazierstock zur Nikolaikirche. An der großen Säule auf dem Kirchhof bleibt er stehen. Ganz in rosa, grün und weiß steht diese mitten in der Stadt – mit Palmenblättern, die aus dem oberen Ende sprießen. Die Säule ist nicht nur Schmuck, sondern kann mit der Leipziger Loge „Minerva zu den drei Palmen“ in Verbindung gebracht werden. Die trägt sowohl im Namen als auch auf ihrem Logenemblem drei Palmen als Erkennungszeichen. Die Farben Rosa, Weiß und Grün sind ebenso typisch für Freimaurer.

Weiter zum alten Messepalast am Neumarkt. Ein Relief an der Fassade zeigt Eulen, Bienenkörbe und Werkzeug – alle haben eine symbolische Verbindung zur Freimaurerei. Die Eule ist das Zeichen der Göttin Minerva und weist erneut auf die Loge „Minerva zu den drei Palmen“ hin. Die Bienen tragen Pollen in ihren Stock: für Eingeweihte ein Symbol der Freimaurerbrüder, die Wissen in ihre Loge bringen. Winkel, Maurerkelle, Maßstab und Senkblei beziehen sich auf die Ursprünge der Freimaurer.

Das Relief ist kein Zufall. Der Architekt des Gebäudes, Emil Franz Hänsel, war Mitglied der Loge „Minerva zu den drei Palmen“. Gerade in Leipzig konnten die Freimaurer ihre Spuren offen hinterlassen. Die freimaurerischen Ideen und die tolerante Mentalität der Leipziger passten gut zusammen. Einen „Glücksfall der Geschichte“ nennt Hempel dieses Zusammentreffen.

Auch heute sind Logen in Leipzig aktiv. Neben der Minerva auch „Balduin zur Linde“ oder „Vesta zum heiligen Feuer“. Die klangvollen Namen und immer noch geheimen Rituale wirken zwar verschwörerisch, die deutschen Logen sind aber heute eingetragene Vereine. Ihr Ziel ist weiterhin, ihre freiheitlichen Grundideen weit zu verbreiten. Dazu gehörte schon immer die Absicht, Menschen aus allen sozialen Schichten, Bildungsgraden und Glaubensvorstellungen zusammenzubringen. Eine andere Vorschrift scheint hingegen mittelalterlich: Frauen haben traditionell kaum Zutritt. In Leipzig nimmt nur die Freimaurerloge „Neue Werkstatt“ auch weibliche Mitglieder auf. Johanna Bastian