Bewährungsstrafe für einen Todesschuss

Im Prozess gegen einen Kölner SEK-Polizisten verhängt das Landgericht nur eine mehrmonatige Bewährungsstrafe. Der tödliche Schuss auf den Kollegen sei ein schrecklicher Unfall gewesen, eine Absicht habe nicht vorgelegen

KÖLN taz ■ Vor dem Kölner Landgericht ist ein Polizist zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, weil er bei einer Einsatzübung einen Kollegen versehentlich erschossen hatte. Der 39-jährige Beamte hatte gestanden, eine scharfe Waffe zu dem Training mitgenommen zu haben, obwohl üblicherweise nur Schreckschuss-Pistolen verwendet werden. Mit dem Urteil folgte das Gericht den Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Es wurde aber auch Kritik an den nordrhein-westfälischen Vorschriften für solche Polizeiübungen laut.

“Ich kann mir auch heute noch nicht erklären, warum ich die geladene Waffe mitgenommen habe“, erklärte der Beschuldigte: „Es tut mir unendlich leid, was passiert ist.“ Minutiös schilderte er stundenlang, wie sich der verheerende Einsatz im Februar vergangenen Jahres abgespielt hatte. Zu Beginn der Ermittlungen waren Gerüchte aufgetaucht, er habe seinen Freund und Kollegen womöglich zielgerichtet ermordet. Genährt wurden diese Vorwürfe durch Stellungnahmen der Mutter des Opfers, die bis heute von einer „Hinrichtung“ ihres Sohnes spricht.

Das Gericht spricht in seinem Urteil von einem Unfall. „Das war eine Kette von Fehlleistungen mit schrecklichem Ergebnis“, sagte der Vorsitzende Richter. Bei der Übung hatte der Vorgesetzte des Angeklagten einen Geiselnehmer dargestellt, zwei Beamten hätten sich in einem abgedunkelten Raum an ihn „herangeschlichen“, um ihn zu überwältigen. Die Situation sei besonders lebensnah dargestellt worden, so die Staatsanwältin. Beim Zusammentreffen der Beamten mit dem angeblichen Täter habe der plötzlich einen Revolver gezogen. „Da habe ich mich bedroht gefühlt“, gab der Angeklagte zu Protokoll: „Ich zog meine Waffe und es gab plötzlich einen ungewöhnlich lauten Knall.“

Alles sei ganz schnell gegangen, es habe nicht viel Zeit gegeben, um zu überlegen. Aber genau das sei Grundlage der Arbeit im SEK: Ein automatisiertes Reagieren in Gefahrensituationen. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass er eine mit scharfer Munition geladene Pistole in der Hand hatte. Auch der Kölner Polizeidirektor Dieter Klinger bestätigte als Zeuge, dass solche Übungen bei Sondereinsatzkommandos (SEK) Routine sind. Es gebe dafür keine detaillierten Vorschriften, sondern höchstens allgemeines Polizeirecht, das analog angewandt werden könne.

Vor allem die Anwälte der Hinterbliebenen, die als Nebenkläger auftraten, forderten eine Aufnahme solcher Übungen ins polizeiliche Vorschriftenwerk. „Da muss man hinterfragen, wie SEK-Beamte ausgebildet werden“, meinte der Anwalt der Mutter des Opfers, Eberhard Reinecke: „Wenn so etwas bei einer Übung passiert, muss man sich auch fragen, was erst in der Realität passieren kann.“ Auch Rechtsanwalt Reinhard Schön, der die Schwester des Verstorbenen vertrat, äußerte Kritik am Todesschützen: „Ich kann mir nicht erklären, wie man bei diesem Rollenspiel vergessen konnte, dass man es mit einem Polizisten zu tun hatte.“ Der Angeklagte sei wegen seiner Fehlentscheidungen eine „tickende Zeitbombe“, die nicht mehr als Polizeibeamter eingesetzt werden dürfe.

Wegen der jetzt verhängten milden Strafe wird der 39-jährige Beamte aber weiterhin im Polizeidienst bleiben können. „Zurück in ein SEK will ich nach diesen Vorkommnissen aber nicht mehr“, beteuerte er. Auf eine Geldauflage von 5.000 Euro, wie sie von der Staatsanwaltschaft gefordert wurde, verzichtete das Gericht. Man gehe davon aus, dass auf den Beamten noch Schadenersatzforderungen der Witwe und ihrer Tochter zukommen würden, sagte der Richter. Die Witwe erklärte deshalb schon zum Ende des Prozesses, dass sie auf einen möglichen Einspruch gegen das Urteil verzichtet. FRANK ÜBERALL