Auch Konfessionslose kann es treffen

RELIGIONSFREIHEIT Gerichtshof für Menschenrechte lehnt Klagen gegen Kirchensteuerzahlungen ab

Beim Ehegattensplitting bleibt die Kirche im Dorf Foto: F. Rumpenhorst/dpa

WEIMAR taz | In Ausnahmefällen müssen auch Menschen, die keiner Kirche angehören, Geld zur Finanzierung einer Kirche bezahlen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah darin keine Verletzung der Religionsfreiheit.

Im konkreten Fall hatte ein konfessionsloser Mann aus Heidelberg geklagt, der mit einer evangelischen Frau verheiratet ist. Das Paar gab eine gemeinsame Einkommensteuererklärung ab, um vom Ehegattensplitting zu profitieren. Dies ist vor allem für Ehepaare vorteilhaft, die unterschiedlich verdienen, weil sich der Steuersatz des Besserverdienenden so reduziert. Das Heidelberger Ehepaar erhielt für das Jahr 2008 einen Bescheid, in dem ihm eine Steuerrückerstattung von 3.423 Euro zugesprochen wurde. Diese Erstattung wurde aber mit der Kirchensteuer der Frau in Höhe von 2.220 Euro verrechnet, sodass dem Mann im Ergebnis nur 1.203 Euro ausbezahlt wurden. Der Mann beschwerte sich nun, dass er als Konfessionsloser nicht die Kirchensteuer seiner Frau bezahlen wolle.

Der Straßburger Gerichtshof sah darin kein Problem. Schließlich sei es die eigene – steuerlich motivierte – Entscheidung des Ehepaars gewesen, eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben. Dies könne nicht der staatlichen Steuerverwaltung angelastet werden. Das Paar könne diese Entscheidung auch jederzeit rückgängig machen.

Vier weitere Beschwerden mit Kirchenfinanzbezug erklärte der Gerichtshof für unzulässig, da die Erhebung von Kirchensteuern und Kirchgeld eine autonome Entscheidung der Kirchen sei, die dem Staat nicht zugerechnet werden könne. Die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention gälten nur gegenüber dem Staat und nicht gegenüber Kirchen.

Der konfessionslose Mann wollte nicht die Kirchensteuer seiner Frau bezahlen

Kirchgeld wird von evangelischer und katholischer Kirche fast überall erhoben, wenn zum Beispiel ein Kirchenmitglied keine Einkünfte hat, der konfessionslose Ehegatte aber gut verdient. Dann darf zwar keine Kirchensteuer erhoben werden, so eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1965. Karlsruhe erlaubte den Kirchen aber, in solchen Fällen ein Kirchgeld zu erheben, das am „Lebensführungsaufwand“ des Kirchenmitglieds bemessen ist und etwa ein Drittel der Kirchensteuer beträgt. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit des Kirchgelds 2010 bestätigt. Erhoben wird es auch bei Ehepaaren, die verschiedenen Kirchen angehören und unterschiedlich viel ver­dienen. Christian RathMeinung + Diskussion SEITE 12