Macht und Subversion im Bild

Kunst Video war der Schwerpunkt des ehemaligen Kunsthallen-Direktors Wulf Herzogenrath. Mit „Auto Vision“ setzt das Haus diese Linie fort

Foto: Jürgen Nogai/Kunsthalle Bremen

Bereits in den 1960ern begannen Künstlerinnen und Künstler mit Film und Video zu arbeiten. Die Fluxus-Bewegung etwa hat das bewegte Bild und seine Bedingungen zum wichtigen Schwerpunkt ihres künstlerischen Schaffens erklärt. Die Bremer Kunsthalle hat in den 1990ern unter ihrem damaligen Direktor Wulf Herzogenrath begonnen, vermehrt Film und Video für ihre Sammlung anzukaufen. Sein Nachfolger Christoph Grunenberg setzt dies mit Ankäufen aktueller Videokunst fort und zeigt nun unter dem Titel „Auto Vision“ einen Ausschnitt der Videosammlung seines Museums.

Schnell wird klar, dass der Fluxus-Bewegung, ganz besonders dem Künstler Nam June Paik eine besondere Position innerhalb dieser Kollektion zukommt. Herzogenrath verband mit dem 1932 in Seoul geborenen Paik eine tiefe Freundschaft. Bereits 1976 realisierte er als Direktor des Kölnischen Kunstvereins Paiks erste große Einzelausstellung in Europa. In der aktuellen Bremer Ausstellung sind mehrere seiner selbstreflexiven Fernseharbeiten zu sehen. Zum Beispiel „Magnet TV“ von 1964. Auf dem Schirm sehen wir den damaligen Präsidenten der USA, Richard Nixon. Davor ist ein starker magnetischer Ring angebracht, mit dem sich das Bild stören lässt: Der Präsidenten beginnt zu flimmern. Darin sind zwei Motive enthalten, die für Paiks Werk zentral sind: das Medium, das geeignet ist, Bilder allgegenwärtig werden zu lassen, und seine Anfälligkeit – gewissermaßen Sinnbilder für Macht und Subversion.

Direkt auf Paik bezieht sich „Cleaning up the Studio“ des 1968 in Göttingen geborenen Künstlers Christian Jankowski. Nachdem Paik 2006 in Miami Beach starb, wurde sein New Yorker Studio nach Seoul verschifft und dem Paik-Dokumentationszentrum zugeführt. Jankowski beauftragte im Jahr 2010 die Reinigungsfirma „Beautiful Cleaning“ damit, dieses Studio aufzuräumen. In seinem Film beobachtet man die Mitarbeiter der Firma dabei, wie sie die meterlangen und mit Werkzeug und Material zugepackten und verstaubten Werktische aufräumen. Unweigerlich kommen dabei Fragen auf: Dürfen die das? Paiks Hinterlassenschaft einfach so verändern?

Auffällig ist die hohe Anzahl an weiblichen Positionen innerhalb der Sammlung. Da wäre zum Beispiel die Abschlussarbeit der Schweizer Musikerin und Videokünstlerin Pipilotti Rist von 1993: „I’m not the Girl who misses much“. Die 1962 geborene Rist hat ein explizit feministisches Video produziert. Getrieben von der männlichen Zuschreibung aus dem Beatles-Klassiker „Happiness is a Warm Gun“, in dem es „She’s not the Girl who misses much“ heißt, sieht man sie mit entblößten Brüsten in Zeitraffer tanzen und hysterisch immer wieder diese Zeile singen.

Eine der beeindruckendsten Arbeiten ist Diana Thaters „Delphine“ von 1999. Die 1962 in San Francisco geborene Künstlerin hat die Installation gemeinsam mit dem Flipper-Trainer Richard O’Barry entworfen. Auf die Wände des Raums strahlen Projektoren bewegte Bilder von Delphinen. Als Betrachter ist man so nicht mehr im Museum, sondern mitten im Wasserbecken. Radek Krolczyk

Die Ausstellung ist bis zum 3. September zu sehen

Der Autor ist Betreiber der Galerie K’, Bremen