Hilfe für prekär Beschäftigte

GEWERKSCHAFTEN Mit einer Beratungsstelle will der DGB Menschen mit unsicheren Jobs unterstützen. Für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder wird es dort allerdings nur Infos geben

Ein Gewerkschaftseintritt soll unbürokratischer möglich sein, fordert das Mayday-Bündnis

VON ANNA GRAS

Mit einer eigenen Beratungsstelle will sich der Deutsche Gewerkschaftsbund Bremen (DGB) den so genannten prekär Beschäftigten widmen. Das neue Angebot, das der DGB am Freitag vorstellte, richtet sich an ArbeitnehmerInnen in ungesicherten Arbeitsverhältnissen. Für die Gewerkschaften, die sich lange auf Normalarbeitsverhältnisse beschränkt hatten, ist das eine neue Zielgruppe. Dazu zählen Menschen in befristeter oder Teilzeitbeschäftigung sowie nicht-sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie MinijobberInnen, LeiharbeiterInnen und PraktikantInnen.

„Unsere Alltagserfahrung zeigt den Bedarf“, sagte die DGB-Landesvorsitzende Helga Ziegert. Die so genannte atypische Beschäftigung habe dramatisch zugenommen und ziehe sich durch verschiedene Branchen. Seit 2000 hat etwa die Leiharbeit in Bremen um 150 Prozent zugenommen. Die Zahl der Minijobs – die häufig nebenberuflich laufen – stieg von 12.000 auf 22.000. Knapp fünf Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Bremen beziehen ergänzend Hartz IV.

Betroffen von beruflicher Unsicherheit sind nicht nur Beschäftigte in Industrie, Einzelhandel oder im Nahrungsmittelgewerbe. Auch an Schulen und Hochschulen steige der Anteil derer, die befristet angestellt oder unterbezahlt seien, sagte Hajo Kuckero von der GEW. Pädagogische MitarbeiterInnen an Regelschulen etwa seien meist mit Fristverträgen bei privaten Trägern angestellt, „obwohl eigentlich die Bildungssenatorin für sie zuständig sein sollte“, so Kuckero. Sie arbeiteten unter „Bedingungen, die Arbeit unmöglich machen“: Überstunden, selten kranken- und sozialversichert. „Das Thema, das für viele kommt, wird die Altersarmut sein“, sagte Bremens Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Rainer Kuhn. „Die prekär beschäftigten Menschen von heute sind die Sozialfälle der Zukunft.“

„Arbeitnehmerrechte und der Arbeitsschutz werden in diesem Bereich stark missachtet“, sagte DGB-Frau Ziegert. Viele Arbeitgeber gingen davon aus, dass Rechte wie Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche nicht gelten. Doch auch die Betroffenen selbst wüssten häufig zu wenig über ihre Rechte, so Ziegert.

Vorbild der Bremer Beratungsstelle, die im Januar eröffnen wird, ist ein Pilotprojekt des DGB Oldenburg-Wilhelmshaven. Seit 2007 beraten haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftsmitglieder Menschen in unsicheren Jobs in Informationsbüros in Delmenhorst, Cloppenburg und Wilhelmshaven. In Bremen sollen an zwei Nachmittagen pro Woche Mitglieder der verschiedenen Gewerkschaften beraten. „Dadurch sind Leute aus unterschiedlichen Branchen ansprechbar und können dezidiert beraten“, erklärte Willi Derborgen von der Arbeitsstelle Arbeit und Leben. Das Beratungsangebot richte sich an Gewerkschaftsmitglieder wie Nicht-Mitglieder. „Es kann jeder kommen“, sagte er, auch Menschen mit unsicherem oder illegalem Aufenthaltsstatus. „Es steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht das Rechtsverhältnis, in dem er lebt“, so Derborgen.

Das DGB-Angebot wird dennoch begrenzt sein. „Wir können die Betroffenen zunächst nur über ihre Rechte aufklären“, sagte Ziegert. Rechtlich vertreten darf der DGB nur Mitglieder. „Wir sind keine Wohlfahrtsinstitution“, machte Ver.di-Mann Kuhn deutlich. „Es steckt auch eine Erwartungshaltung hinter dem Angebot“. Wer als Nicht-Mitglied Rechtsbeistand brauche, dem biete man eine Mitgliedschaft an. Oder verweise an Rechtsanwälte oder andere Einrichtungen, wie etwa kirchliche Beratungsstellen.

Das Bremer Mayday-Bündnis, das sich mit Aktionen wie der Euromayday-Parade am 1. Mai für die Interessen prekär Beschäftigter einsetzt, begrüßt den Vorstoß der Gewerkschaften. Die Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei bei vielen groß. „Dazu braucht es Räume, die Vertrauen schaffen, und kompetente Ansprechpartner“, so Dorette Führer vom Mayday-Bündnis. „Wir halten es aber auch für sinnvoll, den Gewerkschaftseintritt einfacher und unbürokratischer zu machen“, so Führer.