Türkei

Gewonnen hat Präsident Erdoğan im islamisch-konservativen ­Anatolien und bei türkischen Wählern im europäischen Ausland

Kurden überwiegend dagegen

ERGEBNIS In Diyarbakır beteiligen sich trotz teils langer Wege 81 Prozent am Referendum. In einigen Wohnvierteln gibt es noch Ausgangssperren

DIYARBAKIR taz | Im südöstlichen Diyarbakır verlief die Abstimmung am Sonntag sehr ruhig, auffällig ruhig. Polizisten hinderten viele Journalist*innen am Morgen daran, in die Wahllokale zu gehen und das Geschehen zu beobachten.

Dabei sind von den lokalen Medien ohnehin nicht mehr viele übrig geblieben: Nach und nach sind sie in den vergangenen Monaten durch Notstandsdekrete geschlossen worden.

Die am 11. Dezember aus­gerufenen Ausgangssperren im Bezirk Sur dauern in vier Wohnvierteln immer noch an. Von den Häusern dort ist nur noch Schutt übrig geblieben, und die 24.000 Bewohner*innen mussten zwangsläufig in anderen Bezirken und Städten un­terkommen. Für sie wurden neue Wahllokale in Sur eröffnet, wo sie immer noch gemeldet sind.

Einige der umgesiedelten Be­wohner*innen hatten daher lange Wege zurückzulegen, wenn auch ohne das nötige Reisegeld. Die Stimmenabgabe diente auch dazu, dass sich alte Nach­bar*innen wiedersehen und umarmen konnten.

In der Region Diyarbakır lag die Wahlbeteiligung beim Referendum bei 81 Prozent. 25.000 Stimmen wurden für ungültig erklärt. Vor allem in Wahlkreisen, in denen lange Ausgangssperren herrschten, lagen die Neinstimmen sehr weit vorne. Insgesamt stimmte die Region Diyarbakır mit 67,6 Prozent für Nein.

Ein etwa 60-jähriger Wähler sitzt nach seiner Stimmabgabe in einer Teestube und gibt offen zu, dass er mit Ja gestimmt habe. Er erklärt, dass das parlamentarische System während der gesamten Geschichte der Republik den Kurden nichts als Sorgen bereitet habe. Ein allein herrschender Präsident dagegen könne – wenn auch nur zum eigenen Vorteil – ein bundesstaatliches System errichten, das den Kurden mehr Autonomie einräumt: „Ich bin keiner Partei zugehörig“, sagt er. „Ich bin nur ein Bürger, der sich deutliche Grenzen und einen festen Status für die Kurden wünscht.“

Kurz vor den Wahlen hatten kurdische Parteien wie die PSK und PAK geäußert, dass weder Ja noch Nein eine passende Option für die Kurden sei – und offen zum Boykott aufgerufen. Die kurdisch-islamistische Partei Hüda Par hatte dagegen für ein Ja plädiert. Bircan Degirmenci