Duell Am Dienstag trafen im Kieler NDR-Studio ein blonder und ein kahl rasierter Mann aufeinander. Der eine ist Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, der andere will es werden. Unser Autor David Joram hat sie bei ihrem Kampf um die Wählergunst beobachtet
: Showdownim Fernsehstudio

Die Spannung steigt: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU, links) und SPD-Herausforderer Björn Engholm in der Wahlnacht 1983. Damals gewann noch Barschel, die „Barschel-Affäre“ vier Jahre später beendete seine Karriere Foto: Wulf Pfeiffer/dpa

Roter Schlips gegen brauner Schlips: Torsten Albig (links) und Daniel Günther, die aktuellen Kontrahenten bei der Wahl des Kieler Ministerpräsidenten, vor Beginn ihrer Fernsehdebatte am Dienstag Foto: Carsten Rehder/dpa

17. März 2005: die mit knapper Mehrheit wiedergewählte Ministerpräsidentin Heide Simonis verfehlt die Stimmenmehrheit im Landtag, weil jemand aus den eigenen Reihen sich der Stimme enthielt. Ihr Kontrahent Harry Peter Carstensen freut sich Foto: Carsten Rehder/dpa

Daniel Günter (CDU), 43, ist Chef der Landtagsfraktion und Parteivorsitzender in Schleswig-Holstein Foto: dpa

Torsten Albig (SPD), 53, ist seit 2012 Ministerpräsident in Kiel. Davor war er dort Oberbürgermeister Foto: dpa

Floskelabwurf
: Torsten Albig, SPD

„Es ist ein langer Weg und wir müssen viele mühsame Schritte gehen.“

„Es ist immer leicht so etwas zu behaupten, wenn man in der Opposition ist.“

„Sie müssen mir das gar nicht glauben können, die Menschen müssen es glauben.“

„Es ist jedenfalls mühsamer, wenn man regiert, als wenn man nur behauptet.“

Daniel Günther, CDU

„Wir werden es besser machen als diese Regierung, die eben nichts hinbekommen hat in diesem Bereich.“

„Ham wir.“ (Auf die Frage, ob die CDU einen Masterplan habe)

„Das kann einfach so nicht weitergehen.“

„Das ist damals schon ein Fehler gewesen.“

„Das haben Sie zu verantworten, Herr Albig.“

Stoiber-Statistik
: Torsten Albig, SPD

Edmund Stoibers Äh-Laute überlagerten häufig seine Reden. Torsten Albig beherrscht den klaren Satzbau deutlich besser, auch die Denkpausen füllt er wesentlich eleganter, etwa so: „Das ist langer Weg, den wir gehen müssen.“ Sonst um einen ruhigen Tonfall und Souveränität bemüht, allzu eilig hat er es nicht beim Sprechen. Man kennt ihn ja eh schon. Spult sein Pensum also wie ein VW-Käfer ab, zuverlässig und unspektakulär. Knapp vor Sendeschluss liegt er bei einer Redezeit von 18:32 Minuten. Grob geschätzte Äh-Häufigkeit: 3 (plus x).

Daniel Günther, CDU

Punkt. Punkt. Komma, Strich – Günther spricht druckvoll, so als hätte er alles auswendig gelernt. Rattert sein Programm herunter, quasi im Stil eines TV-Duell-Dozenten, der schon seit 40 Jahren einen Lehrauftrag an der Uni Kiel hat. Günther präsentiert mehr Fakten als der HSV Schlagzeilen. Da passt dann natürlich kein Äh mehr dazwischen. Kurz vor Schluss steht der Herausforderer bei einer Redezeit von 17:45 Minuten, hat aber eigentlich mehr gesagt als Albig, zumindest gefühlt. Grob geschätzte Äh-Häufigkeit: 1 (plus x).

Peanuts
: Torsten Albig, SPD

Rechnet man die Beträge zusammen, die Albig nennt, wird einem schwindlig. Tatsächlich haben die Sätze des Ministerpräsidenten einen Wert von über 2,4 Milliarden Euro, genauer: 2.467.000.595. Darin enthalten sind vor allem die Mittel, die Albigs Regierung während der letzten Wahlperiode eingesetzt haben will. Etwa: „Zusätzlich 500 Millionen Euro in den letzten fünf Jahren für die Kommunen.“ Aber auch: „Wir haben am 1. Januar damit begonnen, 100 Euro Kita-Geld an die Familien zurückzuzahlen.“

Daniel Günther, CDU

Der Herausforderer kleckert nicht, er klotzt. Seine Aussagen haben einen Wert von über 30 Milliarden. Exakt: 30.431.001.900. Wow! Den Hauptanteilseigner an der immensen Summe hat Günther schnell entlarvt: „Schleswig-Holstein hat 26,3 Milliarden Euro Schulden.“ Und wie setzt sich der Rest zusammen? Na so: „Die 100 Euro Krippen­geld sind ein Wahlgeschenk der SPD.“ Oder: „90 Millionen Euro müssten für die Sanierung der Landes­straßen ausgegeben werden, um den Zustand von 1990 zu erreichen.“

Zugegeben
: Torsten Albig, SPD

„Sie haben völlig Recht.“ (zum schlechten Zustand der Schulen im Land)

„Wir haben als Gesellschaft Fehler gemacht.“ (zum gleichen Thema)

„Auch die Kommunen haben Fehler gemacht, natürlich.“ (zum gleichen Thema)

„In der Vergangenheit hat eine andere Politik zu einer anderen Zeit geglaubt, dass ein Land eine Bank braucht. Das war ein Fehler.“ (zur HSH Nordbank)

Daniel Günther, CDU

„Wir haben die Schulen damals alleine gelassen bei der Umsetzung; das war ein dramatischer Fehler.“ (zur G8-Einführung)

„Das ist bitter, da sind viele Fehlentscheidungen getroffen worden in den letzten zehn Jahren. Das ist für die Politik in Schleswig-Holstein ein ganz, ganz schlimmes Kapitel. Wir werden die Fehler ausbaden müssen, sie aber nicht mehr korrigieren können.“ (zur HSH Nordbank)

Zugespitzt
: Torsten Albig, SPD

„Dass die A20 im Augenblick nicht gebaut wird, liegt im Kern daran, dass eine Regierung, die vor uns dran war – wenn ich es richtig sehe mit einem CDU-Verkehrsminister – nicht in der Lage war, Fledermäuse zu zählen.“

„Sie mögen ja Fledermäuse und Adlerhorste für Unsinn halten. Ich halte sie für Recht.“

„Er macht die Plakate, ich mache die Straßen. Sie werden es erleben: Die A20 kommt.“

Daniel Günther, CDU

„Und dann gibt’s in diesem Kabinett auch zwei Minister, Habeck und Meyer, die mögen sich nicht, das ist ja auch öffentlich bekannt. Die reden nicht miteinander.“

„Herr Albig mag darüber lachen, aber der Adlerhorst ist natürlich lächerlich, den es da gibt. Der war sogar noch leer.“

„Das ist echt ’ne Katastrophe da lang zu fahren.“ (eine Fahrt über Bad Segebergs Straßen)

Style
: Torsten Albig, SPD

Die taz-Bodenkamera entlarvt: Albig trägt nicht nur rote Krawatte, sondern passend dazu auch rote Socken. Frisurentechnisch riskiert er nichts und setzt auf einen Ultra-Kurzhaarschnitt, die Gesichtspartie veredelt eine dickrahmige schwarze Brille. Schanzenhipsterhaft! Gestikuliert wird im albigschen Parallelstil. Da weiß die eine Hand genau, was die andere denkt, wirklich tadellos. Frech hingegen, wie er auf Günther reagiert. Er lächelt den CDUler süffisant an, wenn ihn dieser mit Fakten auseinandernehmen will. Wirkt zumindest lässig.

Daniel Günther, CDU

Die braune Krawatte passt weder zur Parteifarbe noch zur jugendlichen Frische, die der sportliche Günther ausstrahlt. Dafür guter Übergang zum dunkelblauen Anzug. Elegant! Der Blick: Konzentriert, fokussiert, bisweilen gierig. Gesten nur dann, wenn’s gar nicht anders geht und dann im güntherschen Ein-Arm-Stil. Im Stand meist breitbeinig sicher. Kein Umfaller. Hat sonst wenig Macken, nicht mal ’ne Hipster-Brille. Eher Modell Basic zum Nulltarif bei Fielmann. Wirkt bodenständig und topmotiviert.

Pressestimmen
: Torsten Albig, SPD

„Wie eine Eiche wirkte Ministerpräsident Albig tatsächlich über weite Strecken der einstündigen TV-Debatte: fest verwurzelt, vielen Attacken des CDU-Kontrahenten mit stoischer Ruhe begegnend.“ (Lübecker Nachrichten)

„Wie in der gesamten Legislatur perlt Kritik am Ministerpräsidenten weitgehend ab. Albig macht an diesem Abend keine großen Fehler. Er gewinnt nicht, aber noch viel wichtiger dürfte sein, dass er nicht verliert.“ (shz)

Daniel Günther, CDU

„Daniel Günther hat das NDR-Wahlduell gleich doppelt gewonnen. Der CDU-Spitzenkandidat (...) wirkte teils volksnäher und kompetenter. Günther dürfte zum anderen von der Schmähkritik einer Flensburger SPD-Gewerkschafterin profitieren.“ (Kieler Nachrichten)

„Er wirkt vitaler, spricht akzentuiert, in der Sache sicher. Er ist ernst, aber seine Körpersprache ist nicht aggressiv, Gesten setzt er sparsam ein.“ (shz)