Deutsch-französische Freundschaft
: Die Arbeit der Auslandskorrespondenten wird viel zu wenig gewürdigt. Die beiden Korrespondenten der taz und der „Libération“ stellen sich vor

Foto: privat

Ich lebe seit 1991 in Berlin und habe nie die Mauer gesehen. In Frankreich herrschte damals großes Interesse an der Wiedervereinigung, ich weiß nicht, wie viele Berichte ich über die Treuhand geschrieben habe. Heute haben viele internationale Medien keinen Korres­pondenten mehr in Brüssel, sondern nur noch in Berlin. Damals war ich privilegiert, weil außer der taz alle anderen Journalisten in Bonn waren.

Dann kam die Phase, in der ich nur über die rassistischen Angriffe in Deutschland und dann über Schröder und die Agenda 2010, zuletzt über die Flüchtlinge zu berichten hatte. Deutschland und damit auch meine Arbeit haben sich in dieser Zeit unglaublich verändert. Aber ich empfinde die Deutschen in ihrer Lebensart konservativer als die Franzosen. Was mich hier am meisten irritierte, war der Platz der Kirche in der Öffentlichkeit. Helmut Kohl hielt damals eine Rede mit Kruzifix im Hintergrund. Undenkbar in Frankreich.

Erst seit Nicolas Sarkozy Deutschland ein Vorbild in Sachen Bildung genannt hat, wurden die französischen Medien darauf aufmerksam, dass die deutschen Korrespondenten ja auch mal über andere Themen als Nazis berichten könnten. Die größten Schwierigkeiten aber mit meiner Redaktion habe ich immer dann, wenn französische Politiker etwas sagen und nach Reaktionen aus Deutschland gefragt wird. Die Redaktion kann sich nicht vorstellen, dass es einfach keine gibt. Darüber lache ich mit meinen Kolleginnen. Am meisten aber lache ich über einen Begriff aus den deutschen Medien: „die Grande Nation“. Das ist ein Ausdruck, den ich in Frankreich nie gehört habe. Der Spiegel scheint ihn erfunden zu haben. Oder liebt ihn so sehr, dass er ihn ständig wiederholt.

Nathalie Versieux ist seit 2005 Deutschland-Korrespondentin der Libération

Foto: Wolfgang Borrs

Ich bin seit 30 Jahren Auslandskorrespondent in Paris. Als solcher ist es unheimlich schwierig, an Informationen aus erster Hand zu kommen. Man scheitert immer in irgendeinem Vorzimmer. Die französische Staatsbürgerschaft wollte ich nie annehmen, weil ich in dem Land, in dem ich mich als Beobachter verstehe, nicht wählen gehen möchte. Es gehört zu meinen journalistischen Prinzipien, dass ich meinen Job mit kritischer Distanz und kritischer Liebe zu diesem Land mache, das ich mittlerweile sehr gut zu kennen meine.

Die Franzosen sind sehr konservativ und tun sich mit politischen Veränderungen sehr schwer. Daher ist auch meine politische Berichterstattung nicht geprägt gewesen von unterschiedlichen politischen Phasen, sondern von der Persönlichkeit des jeweiligen Staatschefs. Gleichzeitig gibt es in der französischen Bevölkerung die Lust an der Revolte. Beispielsweise bei den Jugendprotesten gegen die Bildungsreform oder dem Widerstand gegen die Arbeitsrechtsreform. Als Journalist ist es äußerst spannend, mit solchen Phänomenen konfrontiert zu sein.

Die Wahrnehmung der Franzosen aus deutscher Perspektive ist, wie jeder Blick aus dem Ausland, kontrastreicher. Dass man in der deutschen Berichterstattung den Front National stark in den Vordergrund stellte, auch um Unterschiede und Übereinstimmungen zu AfD oder FPÖ festzustellen, ist mehr als legitim. Als Korrespondent in Frankreich darf man den Deutschen Frankreich nicht immer mit Asterix und Obelix erklären. Vor Klischees muss man sich hüten. Es gibt diesen berühmten Satz: „Wie Gott in Frankreich leben.“ Ich war lange auf der Suche nach diesem Gott und bin Atheist geworden.

Rudolf Balmer ist seit 2009 Frankreich-­Korrespondent der taz