heute in Bremen
: „Migranten enorm wichtig“

Migration Das ZIS lädt zum Vortrag über die Entwicklung von türkischen Arbeitsmigranten

Ali Elis

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65, ist seit 36 Jahren Vorsitzender des 1981 gegründeten Vereins Zentrum für Migranten und Interkulturelle Studien (ZIS).

taz: Herr Elis, war Migration nach Deutschland früher einfacher als heute?

Ali Elis: Früher gab es ein Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei, das die Arbeitsmigration regelte. Die Migration geschah also in gegenseitigem Einverständnis. Heute ist die Ausgangslage eine völlig andere. Das kann man eigentlich nicht vergleichen.

Was waren die Ursachen für die Migration nach Deutschland vor 60 Jahren?

Auf türkischer Seite war der hauptsächliche Grund die wirtschaftlich schlechte Lage der Türkei. Viele fanden keine Arbeit und gingen deshalb nach Deutschland. Auf deutscher Seite waren Arbeitsmigranten natürlich sehr willkommen, da man nach dem Krieg viele Arbeitskräfte für den Wiederaufbau brauchte.

Welche Ursachen erkennen Sie heute?

Der Problembereich heute ist ein völlig anderer. Heute fliehen die Leute aufgrund von Krieg und Terror.

Auf welche Missstände wollen Sie mit Ihrer Veranstaltungsreihe aufmerksam machen?

Unser Fokus liegt ganz klar auf Arbeitsmigration. Viele der Migranten leben immer noch in Deutschland und haben jetzt das Rentenalter erreicht. Obwohl sie viele Jahre hier gearbeitet haben, sind sie jetzt von Altersarmut betroffen. Wir wollen diese Menschen unterstützen und auf die Probleme aufmerksam machen.

Lässt sich ein Wandel der Gesellschaft durch Migration in den vergangenen 60 Jahren feststellen?

Natürlich. Es leben ungefähr 17 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Die Gesellschaft ist dadurch interkulturell geworden. Aber das ist auch nötig. Die deutsche Gesellschaft ist eine alternde. Um wirtschaftlich weiter stark zu bleiben, sind Migranten enorm wichtig.

Als Referent haben Sie Dr. Etem Ete, Facharzt für Psychiatrie, geladen. Welche Rolle spielt die Psyche bei Migration?

In dem Vortrag wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkung Migration auf den einzelnen Menschen und auf die Familie hat. Ein anderer Grund, warum wir Herrn Dr. Ete eingeladen haben, ist, dass sein Vater der Minister in der Türkei war, der das Abkommen mit Deutschland abgeschlossen hat, welches die Arbeitsmigration möglich gemacht hat. Er ist also ein Zeitzeuge des Prozesses.

Interview Maximilian Schmidt

„60 Jahre Migration nach Deutschland – Erfahrungsberichte eines Zeitzeugen“: 17 Uhr, Stadtbibliothek Bremen