»NETTE NETZWERKE HELFEN NICHT«

INTERVIEW CLAUDIA TÖDTMANN Weibliche Talente müssen auch die Kraft und das Talent haben, die gläserne Decke zu durchbrechen, sagt die Unternehmensberaterin Susanne Dyrchs. Sie fordert deshalb Talentmanagement – speziell für Frauen

Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hat weltweit 44 Konzerne befragt, um zu klären, warum auf den Topführungsetagen so wenige Frauen sind. Dabei untersuchte BCG insbesondere einen deutschen Konzern, der vor sieben Jahren zeitgleich 100 Männer und 100 Frauen im unteren Management eingestellt hatte. Das Ergebnis: Obwohl die Frauen gleich gut oder besser arbeiteten, wurden sie viel seltener befördert und mussten länger auf jeder Hierarchieebene verharren. BCG-Projektleiterin Susanne Dyrchs, 33, ist Koautorin der Studie. ProQuote: Frau Dyrchs, die von Ihnen untersuchten Jungmanagerinnen hatten mehr geleistet als die Jungmanager – und trotzdem waren sie nach sieben Jahren deutlich überholt. Warum?

Susanne Dyrchs: In der Arbeitswelt sehen Männer und Frauen das Thema Frauenförderung oftmals unterschiedlich. Viele Männer glauben, sobald die Kinderbetreuung mit ein paar Maßnahmen der Personalabteilung unterstützt wird, hätten sie Frauen schon genug gefördert. Und was müsste stattdessen passieren? Zunächst einmal Selbsterkenntnis. Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, dass sie Frauen seltener und langsamer befördern. In einigen Fällen herrschen einseitige Selektionskriterien etwa im Recruiting, also der Anwerbung, oder bei Beförderungen. Männer fördern, wenn auch unbewusst, nach dem Prinzip „Self-Cloning“, das heißt, sie suchen aus, wer ihnen ähnlich ist: in der Regel also Männer. Nette Frauennetzwerktreffen viermal im Jahr helfen da eben nicht, solange niemand prüft, ob die Talente die gläserne Decke letztendlich durchbrechen. Wie könnte man da hinkommen? Gespräche sind ein wichtiger Schritt, reichen oftmals aber nicht. Die Führungsspitze braucht Zahlen und Analysen, ehe sie Handlungsbedarf sieht, auch im Bereich Diversity. Sie muss Bilanz ziehen und sich fragen: Ziehen wir weibliche Talente an, befördern wir sie, oder befördern wir sie nicht? Rekrutieren wir überhaupt Frauen? Und halten wir sie, oder verlieren wir sie auf dem Weg nach oben? Blaupausen gibt es dabei nicht, bei jeder Firma stellt sich das Problem anders dar. Schuld daran ist also unzureichendes Talentmanagement? So zeigt es unsere Studie. Nötig wären Zielkorridore für Frauenanteile, auf jeder Karrierestufe und in jedem Bereich. Nur wenige der untersuchten Konzerne haben eine zielgruppenorientierte Rekrutierungsstrategie, obwohl Frauen über 50 Prozent des weltweiten Talentpools ausmachen. Dabei gibt es auch zahlreiche Best-Practice-Beispiele, einige Unternehmen messen ihre Manager daran, ob sie sich für Diversity-Ziele eingesetzt haben, oder besetzen Beförderungs- wie Rekrutierungsgremien paritätisch mit beiden Geschlechtern. Was empfehlen Sie denn dann konkret? Unternehmen sollten verschiedene Personalstrategien einführen. Es muss Transparenz her, um dann die richtigen Maßnahmen treffen zu können.

Claudia Tödtmann ist Redakteurin der Wirtschafts Woche, auf deren Internetseite wiwo.de schreibt sie einen „Management-Blog“. Zuvor war sie beim Handelsblatt und beim Magazin Impulse. Sie schrieb drei Kolumnenbücher – und liebt dieselben Hunde wie die Queen: Welsh Corgis.