Deutsch-israelische Beziehungen

Es knirscht im Verhältnis. Den Deutschen geht die Siedlungspolitik Israels zu weit. Israel will sich nicht von Deutschen belehren lassen

Die „linken“ Feinde der Regierung Netanjahu

Kritiker Die israelischen Menschenrechtsgruppen Breaking the Silence, Peace Now und B’Tselem prangern die Besatzung an

JERUSALEM taz | Die Schattenseiten der Besatzung kennen oft nur die Soldaten selbst. Eine Mutter, die ihren Sohn als Kampfsoldaten ins von Israel besetzte Westjordanland ziehen lässt, will an das Gute in der Armee glauben, daran, dass die jungen 18- bis 21-Jährigen ihr Leben riskieren, um ihr Land vor Terroristen zu schützen. Den Preis dafür kennt sie nicht.

Doch im Namen der Sicherheit ist vieles auch Fragwürdiges erlaubt oder zumindest geduldet, so erzählen es israelische Soldaten, die bei Breaking the Silence Zeugnis ablegen: Zerstörung von Eigentum, das Eindringen in Häuser unschuldiger Palästinenser. Zu Hause aber darf das keiner wissen.

Dieses Schweigen will Shovrim Shtika – Breaking the Silence – brechen. Daran beteiligt haben sich über 1.000 Soldaten, die seit September 2000 in Gaza, im Westjordanland oder in Ostjerusalem gedient haben. Manche von ihnen sind immer noch als Reservesoldaten tätig.

Die Organisation sammelt die Aussagen und Berichte und veröffentlicht sie, teilweise anonym, teilweise mit Klarnamen und Bild. Vorher werden die Geschichten überprüft: Gibt es weitere Augenzeugen, Soldaten oder Menschenrechtsorganisationen? Breaking the Silence bietet auch Touren durch die Region um Hebron. Das Ziel ist nicht nur, die Bevölkerung aufzuklären, sondern auch ein Ende der Besatzung herbeizuführen.

Von Besatzung wollen in Israel aber die wenigsten noch sprechen – und wer sie kritisiert, wird als Verräter, Extremist, Israelfeind oder – wie nun von Premier Netanjahu – einfach nur als „linke“ Organisationen beschimpft. Und links ist längst ein Schimpfwort.

Auch die Organisationen B’Tse­lem und Peace Now haben das längst zu spüren bekommen. Peace Now (Frieden jetzt) setzt sich seit mehr als 30 Jahren genau dafür ein: eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts, zwei Staaten und damit die Gründung eines Palästinenserstaats. Dafür ziehen ihre Anhänger bei Demos mit oder halten Vorträge – und sie haben eine Abteilung, die sich „Settlement Watch“ nennt und die den Siedlungsbau im Westjordanland und in Ostjerusalem dokumentiert, den Netanjahus Regierung vorantreibt.

B’Tse­lem hingegen dokumentiert und veröffentlicht Menschenrechtsverletzungen in den besetzen Gebieten. Die Organisation hat vor einem Jahr Schlagzeilen gemacht, weil durch ihre Arbeit der israelische Soldat Elor Azaria vor Gericht gestellt wurde. Der hatte in Hebron einem bereits am Boden liegenden Terroristen in den Kopf geschossen. Der Mann, der den Vorfall im März 2016 filmte, heißt Imad Abu Shamsiyeh: ein freiwilliger arabischer Betselem-Mitarbeiter, den die Organisation mit einer Kamera ausgestattet hatte, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Der Fall von Elor Azaria wurde nur deshalb bekannt, weil B’Tse­lem das Filmmaterial veröffentlichte.

In Israel wurde der Soldat von einigen als Held gefeiert, der Prozess kritisiert. Premier­minister Benjamin Netanjahu telefonierte mit dem Vater des damals Angeklagten. Das Gericht verurteilte Azaria zu 18 Monaten Haft.

Und so gilt auch Btselem als Nestbeschmutzer, weil sie der Öffentlichkeit vor Augen führt, was Besatzung tatsächlich bedeutet. Lissy Kaufmann