Der Betonbauer

Der passt im Moment genau in die Situation“: Jörg Kastendiek ist neuer Chef der Bremer CDU – der dritte in elf Monaten. Die „Situation“, von der ein altgedienter Parteitags-Delegierter spricht, ist entsprechend dramatisch.

Seit der ewige Bremer Vorsitzende, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, 2008 den Thron verließ, herrscht unter seinen Paladinen Mord und Mobbing. Die jüngste Leiche heißt Rita Mohr-Lüllmann, die nach einem Showdown mit ihrem Vorgänger Thomas Röwekamp vom Vorsitz verschied.

Kastendieks Wahl mit 88 Prozent zeugt vom verzweifelten Wunsch der Partei, das rotte CDU-Gebäude zu reparieren. Kastendiek ist gelernter Betonbauer. Wobei ein Schweißer auch nicht schlecht wäre.

Dem 48-Jährigen kommt zu Gute, dass er sich in den letzten Jahren, in denen sich das Top-Personal gegenseitig demontierte, im Hintergrund hielt. Statt dessen tobte er sich als Prokurist einer Baufirma aus. Diese Abstinenz konnte Kastendiek sich leisten, weil er zuvor schon fast alles war, was man in der Bremer CDU und für sie sein kann: Anführer des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), Vize-Oberjungunionist, Fraktionschef und, 2005, Senator für Wirtschaft und Kultur. Aussetzer wie bei seinem Amtsvorgänger – der übergoss einen Obdachlosen mit Sekt – gibt es bei Kastendiek nicht: So solide wie seine Erstausbildung ist auch sein Auftreten. Inklusive des eher spröden Charmes seiner Antrittsrede.

Zu Kastendieks Betonbauer-Qualitäten kommen die des Kalkulators – als solcher hat er in einem mittelständischen Betrieb gearbeitet. Seine erste Rechnung im Amt ging bereits auf: Die beiden Stellvertreter repräsentieren die auseinanderdriftenden Hauptströmungen der Partei.

Der Preis der Balance heißt allerdings Jens Eckhoff. Fraglich bleibt, ob Kastendiek seine neue Machtposition schnell genug zementiert, um die Thron-Ambitionen seines Vize abblocken zu können. Eckhoff war in der Bremer CDU auch schon alles – außer Vorsitzender. HENNING BLEYL