„Es gibt keine Alternative“

Ole von Beust Der erste deutsche Regierungschef einer schwarz-grünen Koalition rät zu Jamaika

Ole von Beust

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62, CDU, bildete 2008 in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition. Sie hielt zweieinhalb Jahre bis Ende 2010. Er arbeitet jetzt wieder als Rechtsanwalt in Hamburg.

taz: Herr von Beust, was ist für Sie eine moderne konservative Partei?

Ole von Beust: Sie muss die Werte betonen, die eine Gesellschaft zusammenhalten, Werte wie Zuverlässigkeit, Fleiß, Sparsamkeit – die sogenannten Sekundärtugenden. Auf der anderen Seite muss sie sich gesellschaftlichen Entwicklungen stellen und darf gesellschaftliche Fragen nicht in ihr Weltbild zu pressen versuchen.

Entspricht Daniel Günther diesen Anforderungen?

Mein Eindruck ist, dass Herr Günther genau eine solche Position fährt. In puncto Innere Sicherheit ist er sehr klar und eindeutig, in Fragen einer modernen Gesellschaft ist er sehr offen. Das passt zusammen, und er kann diese Haltung sehr glaubwürdig repräsentieren.

Es gibt dazu von ihm das Zitat: „Wer was gegen Homosexuelle hat, dem können wir keine Heimat bieten. Wer konsequentes Vorgehen gegen Bandenkriminalität will, dem schon.“

Das kann ich nur unterstreichen.

Kann in einem dörflich geprägten Flächenland wie Schleswig-Holstein ein solcher Spagat zwischen konservativer Sicherheitspolitik und moderner Gesellschaftspolitik gelingen?

Ja, klar, warum nicht? Die CDU in Hamburg zu meiner Zeit war in der Gesellschaftspolitik oder in der Drogenpolitik extrem liberal, auch in der Bildungspolitik. Auf der anderen Seite war die Innere Sicherheit – Law and Order, Polizeipräsenz, Neubau von Gefängnissen – unser zweiter Markenkern. Das entspricht der heutigen Stimmung auch in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein. Auch in Kleinstädten und Dörfern ticken die Leute heute nicht mehr so anders als in Metropolen, weil die Kommunikation über Internet und soziale Medien das Meinungsgefälle aufgehoben hat. Die gesellschaftliche Entwicklung ist dort nicht mehr viel anders oder langsamer als in Großstädten.

Kann Günther dieses politische Leitbild mit Grünen und FDP umsetzen?

Es gibt ja keine Alternative. Von einer Großen Koalition mit einer SPD, die abgewählt wurde, würde ich der CDU abraten. Aus diesem Grund sollte für Grüne und FDP auch eine Ampel mit der SPD nicht infrage kommen. Wer so vergeigt hat, muss in die Opposition. Deshalb sind CDU, Grüne und FDP zu einer Koalition quasi verdammt.

Klingt nicht nach einer Wunschlösung.

Das Wahlergebnis ist so. Und bei Daniel Günthers Weltbild eines aufgeklärten Konservatismus sehe ich für Grüne und Liberale keinen Grund, mit ihm nicht zusammenzuarbeiten.

Wo sehen Sie die größten Gemeinsamkeiten, wo die größten Hemmnisse?

Ein großes Problem ist die Verkehrsinfrastruktur. Da sind die Grünen sehr zögerlich, da werden manche über ihre Schatten springen müssen. Schwierig wird es immer in der Inneren Sicherheit, da werden Grüne und FDP sich bewegen müssen. Bei ökologischen Fragen, auch in der Landwirtschaft, werden CDU und FDP sich bewegen müssen. Aber ich sehe in letzter Konsequenz keine ernsthaften Hinderungsgründe für ein solches Dreier-Bündnis.

Sie geben also einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein eine gute Chance?

Es bietet sich einfach an. Das muss jetzt nicht Vorbild für andere Länder sein.

Klingt nicht sehr begeistert.

Weil eine Dreier-Koalition immer schwierig ist. Aber ich glaube, dass Daniel Günther das Naturell hat, Alphatiere wie Robert Habeck und Wolfgang Kubicki konstruktiv an einen Tisch zu kriegen.

Vielleicht ist es den beiden ja auch egal, wer unter ihnen Ministerpräsident ist?

Man sollte Daniel Günther mit seiner gelassenen norddeutschen Art nicht unterschätzen.

Interview Sven-Michael Veit