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: Grünes Geld

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Kleines Geld für große Ideen

SchwarmfinanzierungDer kleinteilige Vertrieb von Finanzprodukten im Internet boomt. Heute gibt es Dutzende von Plattformen, die solche Finanzierungen abwickeln und dafür eine Provision erhalten. Ökologische Kriterien spielen dabei oft eine wichtige Rolle

Beim Finanzierungsvolumen übertrumpften Immobilien zuletzt die grünen Geldanlagen Foto: Jürgen Hanel/imago

Von Bernward Janzing

Crowdfunding ist eine neue Vertriebsform am Kapitalmarkt. Ihr wesentliches Merkmal ist die Akquise im Internet: Über spezialisierte Plattformen sammeln Firmen Geld von Bürgern, um damit entweder kreative Geschäftsideen zu entwickeln, oder auch um althergebrachte Geschäftsmodelle auszubauen. Auch im Sektor der grünen Geldanlagen gibt es längst Projekte, die sich auf diese Weise finanzieren.

Der Begriff Crowdfunding, zu deutsch Schwarmfinanzierung, wurde in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts populär. Heute gibt es Dutzende von Plattformen, die solche Finanzierungen für die betreffenden Firmen abwickeln und dafür zumeist zwischen 5 und 12 Prozent der investierten Summe als Provision erhalten. Auch Organisationen sind in diesem Markt aktiv, so die Deutsche Umweltstiftung, die im Jahr 2014 die Plattform EcoCrowd startete (die aktuell übrigens eine Kampagne in eigener Sache startet, um den Fortbestand zu sichern). Andere Anbieter sind etwa Bettervest, LeihDeinerUmweltGeld, Econeers und GreenXmoney. Die Plattformen, die lediglich als Vermittler agieren, prüfen die zu finanzierenden Unternehmen zuvor nach jeweils eigenen Kriterien.

Der Begriff Crowdfunding ist unspezifisch, weil er unterschiedlichste Modelle umfasst. Im Sektor der erneuerbaren Energien dominiert jene Form, bei der Kleinanleger eigenkapitalähnliche Beteiligungen erwerben oder ein Nachrangdarlehen geben mit entweder festem oder erfolgsabhängigem Zinssatz. Einen speziellen Weg geht GreenXmoney, indem Anleger über einen Forderungskaufvertrag den Stromertrag einer Solar- oder Windkraftanlage erwerben. Darüber hinaus gibt es weitere Formen der Finanzierung, die auf dem Markt des grünen Investments allerdings weniger von Bedeutung sind. Mitunter gibt es eine nichtfinanzielle Gegenleistung, die vor allem im Kultursektor verbreitet ist, etwa eine Statistenrolle in einem unterstützten Film. Und es gibt das Modell der Spende per Crowd.

Längst werden im Netz auf diese Weise Millionen bewegt. Laut Informationsportal crowdfunding.de wurden im Jahr 2016 in Deutschland 63,8 Millionen Euro akquiriert, ein Wachstum von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mitunter suchen schon etablierte Firmen die Nähe zur Crowd: Eon ist zwischenzeitlich bei GreenXmoney eingestiegen.

Die Plattform Econeers gibt an, dass seine Investoren zu 90 Prozent männlich und zumeist um die 40 Jahre alt seien. Viele besäßen einen Hochschulabschluss. Ähnliche demografische Daten nennt die Plattform Seedmatch, die zudem noch darauf hinweist, dass die meisten Investoren „aus der Gründerhauptstadt Berlin“ kämen. Bekannt ist das Crowdfunding vor allem bei jungen Menschen: Unter den 18- bis 29-Jährigen haben 86 Prozent schon davon gehört. Der Bekanntheitsgrad sinkt mit dem Alter bis auf rund 40 Prozent der Generation ab 70. Während über alle Altersklassen hinweg 75 Prozent der Männer von dieser Art der Finanzierung gehört haben, sind es bei den Frauen 56 Prozent. Das ergab das „Crowdfundingbarometer 2016“.

Unter allen Schwarminvestitionen stellen Energieprojekte mit 4,8 Millionen Euro derzeit allerdings das kleinste Segment dar, ihr Volumen schrumpfte im vergangenen Jahr sogar um 17,4 Prozent. Wachstumstreiber im deutschen Crowdinvesting-Markt ist aktuell der Immobiliensektor – was kein Wunder ist angesichts des regional längst überhitzten Marktes. Die Einnahmen verdoppelten sich fast binnen Jahresfrist auf 40,3 Millionen Euro.

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht unterscheiden sich die Crowdprojekte kaum von den klassischen Finanzierungsformen, die speziell bei den erneuerbaren Energien etabliert sind; Genussrechte und Darlehen sind in den verschiedensten Ausprägungen lange schon verbreitet. Aber es ist die Verankerung im Internet, die im Vertrieb Vorteile bringt. Die Projekte erreichten „insbesondere durch den Einsatz der Sozialmedien schnelle, breite und teilweise virale Bekanntheit“, heißt es bei Bettervest. Das senkt die Vertriebskosten. Entsprechend ist auch die Mindestinvestitionssumme oft gering, mitunter liegt sie bei nur 100 Euro.

Diese Form des Investments ist in der Regel aber nur etwas für Anleger, die durchaus Risiken einzugehen bereit sind. „Aus Investorensicht handelt es sich um ein Risikoinvestment, welches nicht für die Altersvorsorge geeignet ist“, heißt es etwa bei Econeers, „Sicherheiten, wie sie eine Bank für einen Kredit verlangen würde, gibt es im Crowdfunding nicht.“

Die Unternehmen werden nach ­unterschiedlichen ­Krite­rien bewertet

Da die Bundesregierung den sogenannten grauen Kapitalmarkt abseits der Banken seit einigen Jahren kritisch beobachtet, evaluiert sie zurzeit auch das Kleinanlegerschutzgesetz, womit es auch für Crowdfunding Neuerungen geben dürfte. Der Boom im Immobiliensektor, für den das Instrument ursprünglich nicht gedacht war, könnte zum Beispiel dazu führen, dass der Gesetzgeber an die Privilegien des Crowdfundings herangeht – etwa indem er für solche Projekte eine Prospektpflicht einführt.

Bleibt am Ende die Zahl der Pleiten. Der Bundesverband Crowdfunding beziffert den Ausfall in einer aktuellen Statistik auf 18 von 282 Firmen. Zwei spektakuläre Insolvenzen gab es in den vergangenen Monaten: Im Februar musste das Hardware-Unternehmen Protonet Insolvenz anmelden, nachdem es im Jahre 2014 3 Millionen Euro per Crowdfunding eingesammelt hatte. Bereits im Herbst war die Firma Returbo insolvent, ein Vermarkter von zurückgeschickten Waren von Online-Händlern.

Die Plattform Companisto publizierte im vergangenen Herbst eine eigene Statistik: Von 38 finanzierten Start-ups hatten zwischenzeitlich fünf Insolvenz anmelden müssen. Keine der Pleitefirmen kam übrigens aus der Branche der erneuerbaren Energien.