Haben wir bald kein Geld mehr für die Rente?

LISSABON taz | „Was mir Sorgen bereitet, ist die Zukunft meiner zwei Töchter und meines Enkelkindes“, erklärt Maria Irene. Die Alten seien zäh, sagt sie, und man werde sich – wie schon immer – irgendwie durchschlagen.

Die 58-Jährige ist eine der vielen Kastanienverkäufer, die zur kalten Jahreszeit in der Baixa, im Herzen der Lissabonner Altstadt, wie Pilze aus dem Boden schießen.

Kein einfaches Leben, aber wer hat das schon?, fragt sie. Gott sei Dank gibt es ja die Touristen. Die können es sich immer noch leisten, zwei Euro für ein Dutzend auszugeben. Für viele Portugiesen sei das schon zu teuer, erzählt sie, während sie zwei gut gefüllte Säckchen an ein englisches Pärchen verkauft.

Den Preis würde sie gern weiter senken, um auch den vielen Einheimischen zu genügen, doch sie kann nicht, weil es sonst zu knapp wird. Heute sind es Kastanien; kommt der Sommer zurück nach Lissabon, wird sie Eis und Kirschen verkaufen. Sie zahlt 600 Euro an die Stadt für die 6-Monats-Lizenz. Wie viel sie verdient, will sie nicht sagen. Die 58-Jährige nimmt sorgsam eine kleine Zange in die Hand und schaut nach der Kohle. Eine dichte weiße Rauchfahne breitet sich über die tradierte Praça do Rossio aus. Von hier werden auch an diesem Mittwoch wieder viele aufbrechen und gegen die drastischen Steuererhöhungen und Sozialkürzungen protestieren.

Die CGTP, der stärkste Arbeiterbund Portugals, hat zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen – dem zweiten in diesem Jahr. Maria findet es gut. Sonst, so warnt sie, werde diese Regierung weiterhin alles tun, was sie will. „Die sagen Ja und Amen zu allem“ und regieren indes gegen das eigene Volk, kritisiert Maria empört. Rekordarbeitslosigkeit, Kürzung der Sozialleistungen, der Löhne und sogar der Renten. Wie viele so überhaupt überleben könnten, fragt sie sich halblaut. Maria aber wird trotz Generalstreik arbeiten.

Und sie wird wie immer alles hautnah miterleben – nur vom Fähnchenschwenken hält sie nicht viel. „Gerade gestern habe ich gehört, dass die Sozialversicherung bald kein Geld mehr haben wird. Stimmt das?“, fragt sie besorgt.

Wie viele Portugiesen fürchtet sie, dass bald kein Geld mehr für ihre Rente da sein wird. Noch ein Grund, vorzusorgen für den Protesttag. „Ich überlege mir sogar, ein paar Extrakilo Kastanien mitzunehmen.“ SIMON KAMM