LESERINNENBRIEFE
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Ein trauriger Rekord

■ betr.: „Tödliches Lebenswerk“, Portrait Michael Kalaschnikow,taz vom 9. 11. 09

Der Russe Kalaschnikow mag ja mit seinem „Lebenswerk“, der Erfindung einer automatischen Schusswaffe („Awtomat Kalaschnikow 47“) zu Ruhm und Ehre der Roten Armee beigetragen haben. Dass mit dieser Waffe mehr Menschen als mit jeder anderen umgebracht wurden, ist wahrlich ein trauriger Rekord und rückt die Orden des Erfinders sowie die diversen Feierlichkeiten einschließlich des „Wodka Kalaschnikow“ in ein wahrhaft bizarres Licht.

Wenn das Ganze der taz schon einen Beitrag wert ist, sollte aber eines auch richtig dargestellt werden: Im Emblem der RAF fand sich diese Waffe nie. Dafür musste eine MP5 von Heckler & Koch herhalten. Und welche Jubiläen die Erfinder dieses Schießgeräts feiern, möchte ich lieber gar nicht wissen. LUDWIG STADELMANN, Stegen

Altfeministische Larmoyanz

■ betr.: „Das Genussverbot“, taz vom 7. 11. 09

Die These, die Bundesrepublik erlaube weiblichen Führungskräften den Zugang zu Spitzenpositionen nur, wenn es gar nicht mehr anders geht, ist Nonsens. Nicht einmal die von Ines Kappert gewählten Beispiele überzeugen. Dass nach Kohl zum Bespiel nicht einer der Herren aus dem sogenannten Andenpakt die Kanzlerschaft übernahm, lag wohl kaum daran, dass nichts anderes als eine Frau mehr ging, sondern schlicht an der größeren Cleverness von Merkel im unionsinternen Machtpoker. Wenn eine Frau Käßmann sich als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche durchsetzt, dann auch nicht deswegen, weil es keine Alternative mehr gegeben hätte. Hätte Frau Käßmann nicht kandidiert, hätte man einen anderen (wahrscheinlich männlichen) Kandidaten gefunden, der die Rolle vielleicht schlechter ausgefüllt hätte, ohne dass dadurch aber gleich die evangelische Welt unterginge.

Auch dass Frauen in Spitzenpositionen nur als protestantische Pflichtethikerin Anerkennung finden würden, ist Quatsch. Frau Käßmann dürfte ihre Position gerade nicht deswegen erreicht haben, weil sie das Ideal protestantischer Askese verkörpert. Im Gegenteil: Mit ihrer Scheidung hat sie ein Bekenntnis zu einem gerade nicht diesem Idealbild entsprechenden Leben abgegeben, und jeder männliche geschiedene Konkurrent hätte sich übrigens genauso wie sie mit dem entsprechenden Gegenwind auseinandersetzen müssen. Frau Käßmann sieht gut aus, ihre Botschaft ist gerade nicht die der lebensverneinenden Buße und Pflichterfüllung. Sie gilt als Alternativangebot zum überkommenen Kirchenbild, hierfür steht sie auch als Person, dies begründet ihre Popularität.

Es gibt zahlreiche Beispiele für Politikerinnen, die sich nicht nur nicht einem Genussverbot unterwerfen, sondern ihre Genussfreude durchaus (erfolgreich) zelebrieren. Warum fällt es Kappert schwer, zu akzeptieren, dass Frauen sich bei durchaus vorhandenen männlichen Alternativen schlicht als bessere oder gar beste durchsetzen? So entsteht der Eindruck einer altfeministischen Larmoyanz: Frauen werden immer benachteiligt, und wenn sie es doch schaffen, muss auch daran irgendetwas faul sein. Hauptsache: Frau ist benachteiligt. LINUS BLAU, Bonn

Journalistische Heldentat

■ betr.: Titelseite, taz vom 10. 11. 09

Mit der herausragenden Berichterstattung über die 3. Tagung des 17. Zentralkabinetts hat das werktätige Journalistenkollektiv der taz das volle Lob der kritisch-konstruktiven Leserschaft mehr als verdient. Die Analyse des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist eine journalistische Heldentat, die in die Ruhmeshalle der taz Eingang finden muss. TOBIAS POHL, Frankfurt am Main

Zivis ersetzen Fachkräfte

■ betr.: „Verbände fürchten Mini-Zivildienst“, taz vom 4. 11. 09

Das jetzt von den meisten konstatierte Dilemma macht öffentlich, was seit langem Sache ist, aber niemand sehen wollte: Sehr viele – wenn nicht sogar die meisten – Zivis wurden und werden nicht für „zusätzliche“ Aufgaben eingesetzt, sondern ersetzen Fachkräfte. Dies ist zwar gut für Gewinnmaximierung und/oder Lohndumping, aber illegal und hat sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet. Gut, dass dies jetzt weniger werden wird. Leider herrscht auf dem Feld der 1-Euro-Jobs der gleiche Missstand. Es huldigen einfach zu viele Verantwortliche in Politik und Verwaltung dem Prinzip „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. HOLGER GUNDLACH, Hamburg