Vom Tellerwäscher zum Hubraumpfleger

Viele Spoiler wurden fotografiert, viel Staub wurde gewischt. An diesem Wochenende wird die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt wieder ihre Tore schließen. Wir präsentieren jetzt schon ACHT BEOBACHTUNGEN, die vielleicht nicht jeder der mehr als 600.000 Besucher gemacht haben dürfte

AUS FRANKFURT CLEMENS NIEDENTHAL

Begeisterung ohne Objekt

Das MTV-Phänomen „Pimp my ride“ hat es längst bis zur IAA, diesem großen Industrietheater, gebracht. Ganz anders allerdings, als es den Herstellern all der Frontspoiler, Chromfelgen, aber auch den Fabrikanten ganzer Automobile lieb sein kann. Automobile Begeisterung erleben immer mehr Menschen als glücklicher Zaungast eines kulturellen Phänomens. Sei es vor dem Fernseher, am ausverkauften Nürburgring oder im Landesmuseum Mannheim, wo gerade die Schau „Lust am Auto“ zu Ende gegangen ist.

Handelte es sich bei der Automobilbranche spätestens mit der boomenden Nachkriegsära auch um eine Kulturindustrie, so tritt sie nun vielleicht in die Phase der kostenlosen Quasi-Downloads ein: Und vielleicht gleichen die Messebesucher ja in einigen Jahren gänzlich glücklichen Kindern, die die Bentleys und Porsches platonisch begehren und dann im gebrauchten Astra nach Hause fahren.

Empörung ohne Dauer

Auf einmal waren sich alle einig. Die Trends verschlafen, der Durst zu groß, das Ganze zu dreckig obendrein. So könne das nicht weitergehen mit dem Automobil – postulierte der Boulevard-Diskurs ganz benzinpreistrunken. Und suchte in den Messehallen „Spar- statt Spaßwagen“ alle taten auf einmal so, als würden sie nach billigen Autos mit billigem Durst dürsten.

Als die Aufregung vorbei war, veröffentlichte das Männermagazin GQ eine Sondernummer mit all den potenten Wunschmaschinen jenseits der 15-Liter-Marke. Das ökologische Gewissen hatte sich da längst versendet.

Pop kriegt keinen TÜV

Autos funktionieren längst wie Popsongs. Das war so eine Leitthese, die Autoverkäufer aus den Marketingetagen gerne durch die Welt getragen hatten. Wagen wie der BMW Mini und der VW Beetle sollten noch mehr Popsong sein. Bald kam keine RTL-Soap ohne sie aus.

Und eine ganze Generation angeblich nicht ohne einen bestimmten Wolfsburger Mittelklassewagen. Fabrikneu obendrein. Doch die jungerwachsenen urbanen Zielgruppen aus den Autowerbespots fahren längst lieber den gebrauchten Saab; oder irgendwas, was man sich überhaupt noch leisten kann. Die Branche, so schien es auf dieser IAA, hat verstanden: und die in den vergangenen Jahren angemieteten DJs zu Hause gelassen.

China ist das neue Korea …

… Korea das neue Japan, Japan das neue Europa. Wir müssen kurz über Kontinentalverschiebungen reden. Darüber, dass die Toyotas und Nissans inzwischen laufen und laufen und laufen. Was ja angeblich mal deutsche Tugenden waren.

Darüber, dass die Koreaner alles ein wenig billiger machen. Was ja mal japanische Tugenden waren. Und darüber, dass chinesische Hersteller erstmals und mit ulkigen Autos auf der IAA vertreten waren. So haben Kia und Co. ja auch angefangen. Sind, weiter an der selben Schraube gedreht, die Europäer nun die neuen Amerikaner? Zu groß, zu schwer, zu durstig, insgesamt zu gestrig? Und wie verhält es sich derweil mit dem amerikanischen Automobil?

Glanz ersetzt Tiefe

Etwa 600 Jobber mischen sich in diesen Tagen mit Feudel und Staubtuch unter die Messebesucher. Um postwendend ungeschehen zu machen, was der Kunde in spe so eben angerichtet hat. Den Kratzer, den Fleck, den Fingerabdruck.

Ganz unversehens wird diese IAA also auch zu einer Versuchsanordnung über das Wesen der Dienstleistungsgesellschaft: Es gibt sie also doch, all die peripheren Beschäftigungsmodelle, hier sogar im Rampenlicht der Messescheinwerfer.

In den USA übrigens ist der „Carwashjob“ längst zu einem geflügelten Wort geworden. Ganz wie einmal der Tellerwäscher.

Erdgas ist nicht sexy

Ein Feigenblatt leistete sich diese IAA gleich in Halle 1: den schmuck- und vor allem trostlosen Stand der Erdgas-Industrie. Wer wollte, ja, wer unbedingt und wirklich wollte, der konnte sich dort informieren. Über den Erdgas-Touran, den Erdgas-Benz, den Erdgas-Punto. Sinnlich war das Ganze nicht, sinnig auch nur bei viel gutem Willen.

Denn eigentlich lässt sich das Erdgas-Engagement der deutschen Hersteller in wenigen Worten beschreiben: Man baut die Karren halt, gemessen am Gesamtbudget der Entwicklungsabteilungen ist der Aufwand ja gering. Aber ins Zentrum seiner Margetingpolitik mag man das alternative Antriebskonzept weder in Wolfsburg noch in Stuttgart stellen.

Interessant sei etwa der siebensitzige Erdgas-Touran „vor allem für spezifische Berufsgruppen“, wie der freundliche VW-Mitarbeiter erzählt hat. Und die Taxifahrer damit meinte.

Öko-Auto bleibt Luxus

Tolle Sparmaschinen warfen auf dieser IAA ihre riesigen Schatten voraus. Die sparsamste und sauberste S-Klasse aller Zeiten zum Beispiel, vom designierten Daimler-Sanierer Dieter Zetsche als genau das angekündigt: „Die sparsamste und sauberste S-Klasse aller Zeiten.“ Gemeint ist eine Kanzlerlimousine mit Hybridmotor, einem erwarteten Verbrauch von 13, vielleicht 12 Litern und einem erwarteten Preis knapp jenseits der 100.000 Euro. Ähnliches plant Volkswagen, das seinen Hybridmotor gemeinsam mit Porsche entwickeln lässt – zum Einbau in die Oberklassegeländewagen Touareg und Cayenne. Auch hier erschließt sich die Logik kaum: Bei kurvigen Überlandfahrten, die ja im Touareg so viel Spaß machen sollen, ruht der Elektromotor voll und ganz. Und der Ottomotor verbrennt Benzin im gewohnt üppigen Maße. Das gerade eingestellte Drei-Liter-Auto war auf dieser IAA im übrigen immer noch präsent – in den Worten des VW-Markenvorstands Wolfgang Bernhard, der sein Mantra wiederholte, das Drei-Liter-Auto sei „einzig und allein an der Enthaltsamkeit der Kunden gescheitert“.

Komisch nur: Sonst scheut man in Wolfsburg doch auch keine Kosten und Mühen, um einer solchen Enthaltsamkeit entgegenzuwirken.

Weiß ist das neue Silber …

… und bis auf weiteres bleibt Silber das alte Weiß. Von Henry Ford ist der schöne Satz überliefert, dass man sein T-Modell in allen erdenklichen Farben ordern könne: „Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich um Schwarz.“ Später gab es eine Zeit, in der alle Autos weiß waren, die von Handelsvertretern, von Zahnarztgattinen, von der Polizei. Dann lebten wir plötzlich in einer Designerrepublik und Autos, auch Polizeiautos, wurden plötzlich silbig lackiert. Woran es auch auf dieser, am morgigen Sonntag zu Ende gehenden Schau grundsätzlich nichts zu rütteln gibt.

Bei Audi etwa, oder beim grundsätzlich silbrigen Mercedes-Benz. Und doch feiert der weiße Lack seine glamouröse, ja dekadente Rückkehr, bei Bentley, Lamborghini, beim Golf GTI. Was uns das sagt? Alle Moden sind vergänglich. Zumal in einer Zeit, in der es ein klein wenig unutopischer erscheint, dass auch das Automobil einmal aus der Mode kommt.