Islamisten verschanzen sich in Marawi

Philippinen Aus einer misslungenen Festnahmeaktion entwickelte sich eine Schlacht um die Stadt Marawi. Seit einer Woche gibt es heftige Kämpfe, das Kriegsrecht, Geiselnahmen und bisher 129 Tote

„Wir wollen am Leben bleiben!“

Teresito Suganob, von Islamisten als Geisel gehaltener Vikar in Marawi

PEKING taz | „Bitte gebt den Feinden, was sie wollen. Wir wollen am Leben bleiben!“ In einem Video hat sich der Vikar der katholischen Kathedrale in Marawi, Teresito Suganob, Dienstagnacht an den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte gewandt. Suganob wird mit mehr als 200 anderen Geiseln von islamistischen Rebellen in der seit über einer Woche heftig umkämpften Stadt auf der südlichen Insel Mindanao gefangen gehalten.

Bisher sind nach Militärangaben 89 Rebellen, 21 Sicherheitskräfte und 19 Zivilisten getötet worden. Die Kämpfe in Marawi begannen mit einer misslungenen Militäroperation, die einem Anführer der Terrorgruppe Abu Sayyaf gegolten hatte. Der überlebte den Angriff auf sein Versteck am 23. Mai. Seitdem liefern sich das Militär und islamistische Rebellen einen erbitterten Häuserkampf. 90 Prozent der 200.000 Einwohner sollen aus Marawi geflohen sein. Hunderte Einwohner sind noch in den Gewalt der Rebellen.

Präsident Duterte, der selbst aus Mindanao stammt, verhängte nach Ausbruch der Kämpfe das Kriegsrecht über die gesamte Insel. Für ihn gibt es nur das Ziel, die Extremisten zu besiegen. Damit würde ihm etwas gelingen, woran alle seiner Vorgänger gescheitert sind. Denn in Mindanao, wo Muslime früher die Mehrheit stellten, sind sie noch heute im Gegensatz zum Rest des katholischen Archipels eine wichtiger Teil der Bevölkerung. Seit Jahrzehnten kämpfen muslimische Gruppen für Autonomie und Unabhängigkeit von Manila.

In Friedensverhandlungen näherten sich beide Seiten an und es wurden Teilerfolge erzielt. Doch islamistische Splittergruppen machen nach wie vor Schlagzeilen durch Entführungen, Attentate und Angriffe, allen voran Abu Sayyaf und seit Neuestem die sogenannte Maute-Gruppe, deren Anführer Abdullah Maute eine Allianz mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ proklamiert hat. Experten warnen, indonesische, malaysische und philippinische Islamisten könnten zusammenfinden und Mindanao könnte zu einer IS-Hochburg in Südostasien werden.

Das hat Duterte nach eigenen Worten dazu bewogen, hart durchzugreifen. Die Mehrheit des Senats hat die Verhängung des zunächst auf 60 Tage begrenzten Kriegsrechts bereits abgesegnet, da „auf Mindanao eine Rebellion stattfindet und die öffentliche Sicherheit diese Maßnahme erfordert“. Die Opposition lehnt das Kriegsrecht ab. „Wir Filipinos sollten gewarnt sein, dass der Präsident schon lange den Vorsatz hat, das Kriegsrecht über das ganze Land zu verhängen. Er ist jetzt nur um einen Vorwand bemüht. Wir müssen wachsam sein gegen diesen schleichenden Autoritarismus“, sagte der Abgeordnete Gary Alejano. Sein Kollege Tom Villarinn ergänzte, Duterte habe einen „Hang zur Gewalt und Missachtung der Gesetze“.

Duterte hat in seiner knapp einjährigen Amtszeit schon mehrfach mit dem Kriegsrecht gedroht, aber im Zusammenhang mit seinem brutalen Drogenkrieg. Vor wenigen Tagen erklärte er vor Soldaten auf Minda­nao: „Nur das Militär kann mir sagen, wann ich das Kriegsrecht aufheben soll. Auf den obersten Gerichtshof oder den Kongress werde ich nicht hören.“ Das sorgte für tiefes Unbehagen bei der Opposition.

Für die Geiseln in Marawi sieht es schlecht aus. Laut Angaben der Armee kontrolliere sie zwar wieder 70 Prozent der Stadt. Doch seien die Islamisten erstaunlich gut bewaffnet und ausgebildet. Dass Marawi bis Freitag befreit sein werde, wie es Verteidigungsminister Delfin Lorenzana von der Armee fordert, ist zweifelhaft.

Hilja Müller