Letzter Halt der Druckluft-U-Bahn

Im Keller an der Oranienburger Straße lagern karge Reste der Berliner Rohrpost, eines technischen Denkmals. Der Verein „Berliner Unterwelten“ macht sie der Öffentlichkeit wieder zugänglich

Ein Gewirr von Rohren durchzieht den niedrigen, weiß gekachelten Kellerraum. Es riecht nach Maschinenöl. Auf Federn gelagert, stehen schwarz glänzende Kompressoren da, als warteten sie auf den nächsten Einsatz. Was zunächst wie ein gewöhnlicher alter Heizungskeller aussieht, beherbergt in Wirklichkeit eine der letzten erhaltenen Maschinenstationen des Berliner Rohrpostnetzes. Einst war es das zweitgrößte der Welt.

Es ist dem Verein „Berliner Unterwelten“ zu verdanken, dass diese historische Rarität jetzt für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Verein, der seit 1997 durch Bunkeranlagen und stillgelegte U-Bahn-Tunnel führt, hat eine neue Tour im Programm: „Technikdenkmal Rohrpost“. Sie startet im Keller des ehemaligen Haupttelegraphenamts in der Oranienburger Straße, wo Ingmar Arnold, Gründungsmitglied der „Unterwelten“ und Rohrpost-Enthusiast, die Geschichte des ungewöhnlichen Kommunikationsmediums mit einem Diavortrag erläutert.

Schon 1865, Jahrzehnte vor Beginn der unterirdischen Personenbeförderung, entstanden unter Berlins Straßen die ersten Anlagen einer Miniatur-U-Bahn für Briefsendungen. Durch armdicke Röhren presste Druckluft Kartuschen, die mit bis zu 65 Stundenkilometer viel schneller waren als jeder Postbote. Bis 1945 wuchs das Netz auf über 400 Kilometer, zwölf Schnellrohrpostlinien verbanden 90 Rohrpostämter sowie viele Behörden und beförderten bis zu acht Millionen Sendungen im Jahr.

Wenn es sein musste, lieferten Rohrpostboten sieben oder acht Mal am Tag die Sendungen an ihre Empfänger aus und nahmen manchmal die Antwort gleich wieder mit. Lange vor der Verbreitung des Telefons konnte man sich so problemlos noch für denselben Abend verabreden – oder einen Vertrag zur sofortigen Unterzeichnung von Lankwitz nach Pankow schicken. Natürlich war ein solcher Service teurer als die normale Briefzustellung – eine Postkarte beispielsweise kostete 50 Prozent Aufschlag. Dafür war das Netz derartig effizient und sicher, dass man damit nicht nur Briefe und Verträge, sondern sogar Geld durch die Stadt schickte.

Geblieben ist davon so gut wie nichts. Bei Kriegsende waren viele der dicht unter der Erdoberfläche liegenden Linien zerstört, 1949 wurden die Ost-West-Verbindungen endgültig gekappt. Im Ostteil der Stadt gingen die Kompressoren 1976 außer Betrieb. Auf Westberliner Seite, wo nach dem Krieg noch neue Strecken entstanden waren, wurde der öffentliche Betrieb bereits 1963 eingestellt, ein eingeschränkter behördlicher Verkehr endete im Jahr 1972. Beide Teilnetze wurden anschließend nicht nur stillgelegt, sondern regelrecht aus der Stadt getilgt: Keines einziges Rohrpostamt existiert noch, die Maschinenstationen sind abgerissen, viele Kilometer Rohre wurden ausgegraben und verschrottet.

Die Reste im Keller des Telegraphenamts haben sich nur dank des Einsatzes einiger Rohrpostbeamter erhalten. Sie brachten in den 70er-Jahren Teile von Sende- und Empfangsstationen sowie Kartuschen und Verteilerschränke aus den Obergeschossen hier in Sicherheit. Das Gebäude hat inzwischen ein privater Investor gekauft. Dass sich die Öffentlichkeit dank der „Unterwelten“ wieder ein Bild von Berlins Miniatur-U-Bahn machen kann, dürfte zur langfristigen Sicherung der Anlagen beitragen.

KAI BIERMANN

Führungen sonnabends und sonntags um 11 und 13 Uhr, Treffpunkt Oranienburger Straße 72. Eintritt 9 Euro, ermäßigt 7 Euro. Infotelefon: (0 30) 49 91 05 18, Informationen im Internet unter www.berliner-unterwelten.de