Bremen ist doch eine Reise wert

Die Zahl der Übernachtungsgäste in Bremen ist seit Monaten rückläufig. Dennoch ist Bremen attraktiver, als die Hanseaten denken, sagt der Tourismus-Wissenschaftler Rainer Hartmann. Allerdings müsse die Stadt stärker auf Erlebnis-Tourismus setzen

taz: Städtereisen liegen im Trend, in Bremen jedoch sind die Übernachtungszahlen eingebrochen. Im Juli war ein Rückgang um fast 20 Prozent zu verzeichnen, verglichen mit dem Vorjahr. Warum?

Rainer Hartmann, Professor für Freizeit- und Tourismusmanagement: Die aktuellen Zahlen sind für mich ad hoc schwer zu interpretieren. Wenn man das allerdings einmal längerfristig betrachtet, ist die Zahl der Übernachtungen seit 1993 um 47 Prozent angestiegen. Insgesamt geht es im Städtetourismus in den letzten Jahren aufwärts, Bremen liegt da mit im Trend. Auch Bremerhaven hat sich im ersten Halbjahr deutlich positiv entwickelt. Hinzu kommt der Effekt der „Sail“ im August.

Bremen ist besser als sein Ruf?

Ja. Aber man darf Bremen nicht 1:1 mit Berlin, Hamburg oder München vergleichen, sondern muss Städte wie Nürnberg, Dortmund, oder Stuttgart zum Vergleich heranziehen. Hamburg war in den letzten Jahren immer an der Spitze und ist ein Trendsetter.

Also: Wie steht Bremen im Vergleich zu Nürnberg oder Stuttgart da?

Bremen steht sehr gut da. Nur wird die Attraktivität einer Stadt von ihren Bewohnern meist deutlich unterschätzt. Bremen ist durchaus auf einer Augenhöhe mit Nürnberg, als der zweiten großen Metropole in Bayern, zu sehen. Auch mit Stuttgart kann Bremen mithalten. Mit dem Space Park und dem Universum Science Center hat Bremen immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, wenn auch zum Teil negativ. Aber bei den Leuten ist hängen geblieben, dass hier etwas passiert. Auch die „Stadt der Wissenschaft“ hat Bremen Publicity beschert. Und die Entwicklung an der Schlachte habe ich sogar aus großer Entfernung mit bekommen.

Welches Image hat denn Bremen als touristisches Ziel?

Insgesamt würde ich das touristische Image Bremen als sehr positiv bewerten. Es hat natürlich unter der Pleite des Space Parks gelitten. Daran hat auch das Universum zu knapsen, weil viele das verwechseln. Das könnte zu einem Problem für Bremen werden. Wiederum gibt es hier einen Fußball-Verein, der in der Champions League spielt. Und auch das historische Erbe ist wichtig für Bremen.

Liegt die Zukunft Bremens im Erlebnis-Tourismus, wie einige behaupten?

Nicht nur in Bremen ist das die Perspektive für den Städtetourismus des 21. Jahrhunderts. Das ist der allgemeine Megatrend, alle anderen setzen auch auf dieses Pferd. Die Leute wollen nicht mehr die klassische Stadtführung, wo einer mit dem Fähnchen voran läuft und hundert Jahreszahlen und Namen herunter betet. Sie wollen unterhalten werden und etwas erleben.

Aber gibt es nicht zwischen der ollschen Stadtführung und dem teuren Erlebnis-Tourismus noch mehr Perspektiven?

Natürlich! Gute Beispiele liefern immer wieder die „Statt-Reisen“-Veranstalter, denen es gelingt, mit ortsspezifischen Angeboten zu begeistern. Ein Paradebeispiel ist „Spionage in Bonn“. Oft sind es auch originelle Events, die den Besuchern ermöglichen, in die Szenerie einzutauchen oder sogar eine Rolle zu spielen, wie etwa bei den „Sülfmeistertagen“ in Lüneburg.

Hat nicht gerade das Universum gezeigt, dass der Erlebnis-Tourismus sehr kurzlebig ist?

Nein, aber um die Besucherzahlen zu konsolidieren, muss man immer wieder neue Attraktionen bieten. Das ist ein großes Problem der Freizeitbranche insgesamt. Das sieht man etwa am Heidepark Soltau. Dort sind jedes Jahr Millionen-Investitionen nötig, um einen Effekt zu erzielen. Aber wer stehen bleibt, hat verloren.

Wo muss Bremen investieren?

Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, an denen Bremen bereits arbeitet, etwa eine Wiederbelebung des Space Centers oder die Erweiterung des Universums. Aber auch andere Angebote können auf mehr Erlebnisorientierung hin optimiert werden. Da sind wir als Hochschule gefragt, den Akteuren mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Wie soll diese Zusammenarbeit aussehen?

Im Wintersemester findet beispielsweise ein Praxisseminar statt, bei dem es darum geht, eine Potentialanalyse für eine Kleinstadt hier in der Umgebung zu erstellen. Was ist da eigentlich los? Wie beurteilen das die Bürger, die Experten vor Ort? Mit welchen Strategien kann sich eine Stadt weiter entwickeln?

Apropos: Welche Perspektive sehen Sie eigentlich für Ihre Studierenden?

Der Tourismusbereich ist, großzügig gerechnet, der wichtigste Beschäftigungsbereich in Deutschland. Und die Deutschen haben immer mehr Freizeit. Das wird durch den demographischen Wandel sogar noch zunehmen. Zugleich gibt es immer mehr Menschen, die viel Geld verdienen. Auch diese Menschen haben Freizeit – und sind dann bereit viel Geld auszugeben, etwa bei Städtereisen.

Interview: Jan Zier