Der Polizeichef weiß von nichts

Repressionen Heftige Kritik an der Datensammelei des Göttinger Staatsschutz-kommissariats. Die Polizeidirektion hat Unterlagen angeblich schon vernichten lassen

Das offenkundig rechtswidrige Anlegen einer Datenbank von Hunderten der linken Szene zugerechneten Personen schlägt in Göttingen hohe Wellen.

Am Freitag war bekannt geworden, dass das Göttinger Staatsschutz-Kommissariat bis 2015 ohne rechtliche Grundlage Daten von mutmaßlichen Linken gesammelt hat. Nach Angaben von Rechtsanwälten füllen die Akten fünf Ordner mit Namen, Adressen, körperlichen Merkmalen, Religionszugehörigkeit, Arbeitsplätzen, Informationen über Social-Media-Profile sowie Fotos.

Die genaue Anzahl der Ausgespähten ist bislang unbekannt. Acht von ihnen klagen jetzt vor dem Verwaltungsgericht. Dass die Sammlung nicht digital geführt wurde, belegt den Anwälten zufolge, dass der Vorgang für den „Rest der Polizei“ unbekannt bleiben sollte. Das bestätigt indirekt nun Polizeichef Uwe Lührig. Die Datenspeicherungen seien der Polizeidirektion erst 2016 „zur Kenntnis gegeben“ worden. Die Unterlagen wurden angeblich bereits vernichtet. Die Direktion habe beim Staatsschutzkommissariat eine Geschäftsprüfung angeordnet, die aber keine Konsequenzen hatte.

Scharfe Kritik kam von den Grünen. Es sei empörend, dass Menschen, die der linken Szene zugeordnet wurden, jahrelang verfassungswidrig überwacht und in ihren Grundrechten verletzt wurden. Die Grüne Jugend – ein Mitglied ist selbst Betroffener – fordert eine lückenlose Aufklärung sowie radikale Konsequenzen für die Verantwortlichen. Für die „Antifaschistische Linke International“ ist das Vorgehen der Göttinger Polizei „keine Überraschung“. Die Bezeichnung der Ordnersammlung als „LIMO“ (Polizeibegriff für links-motivierte Straftäter) lege das Feindbild der Göttinger Staatsschützer offen. Die „Basisdemokratische Linke“ forderte die Auflösung des Staatsschutzkommissariats und kündigte „breite und vielfältige Proteste“ an. Reimar Paul