Windenergie verlässt Bremerhaven

ABWANDERUNG Nach Powerblades schließt nun auch Adwen seine Produktion – der neue Mehrheitsgesellschafter Siemens hat offensichtlich kein Interesse an dem Standort

Mit der Bremer Politik spricht Weltmarktführer Siemens nicht über seine Pläne

Wer auch nur noch ein Fünkchen Hoffnung gehabt hat, dass der Weltmarktführer Siemens ein Interesse am Windenergie-Standort Bremerhaven haben könnte, der muss in diesen Tagen schwer enttäuscht sein: Bei der Firma Adwen, die gerade von Siemens mit dem spanischen Konzern Gamesa übernommen wurde, laufen die Aufträge aus. Ende Juni soll die letzte von 70 Turbinen für den Ostsee-Windpark „Wikinger“ von Iberdrola das Werk verlassen.

Siemens redet mit dem Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) kein Wort darüber, wie es weitergehen könnte. Auch Bremerhavens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) weiß nichts – außer dass der Betriebsrat ihm erzählt hat, einzelnen MitarbeiterInnen sei angeboten worden, ins neue Siemens-Werk Cuxhaven zu wechseln – mit einer sechsmonatigen Probezeit. Von den 1.140 Beschäftigten haben aber nur rund 500 Verträge mit Adwen, die anderen sind LeiharbeiterInnen oder haben Werkverträge. So wird Ende des Monats vermutlich Schluss sein bei Adwen.

Eigentümer Siemens-Gamesa wird Adwen Anfang Juli in die beiden Gesellschaften „Adwen Operations“ und „French Pipeline“ aufspalten, meldete der Branchendienst „Energate-Messenger“. Adwen Operations soll sich um die auf fünf Jahre angelegte Wartung und Instandhaltung der vier belieferten deutschen Meereswindparks kümmern. Siemens will diese Firma aber verkaufen. Diverse Chefpositionen wurden neu besetzt, wer Chef von French Pipeline werden soll, teilte Siemens-Gamesa noch nicht mit. Klar ist: Die Anlagen für die französischen Windpark-Projekte müssen in Frankreich produziert werden, so will es die dortige Politik. Adwen baut derzeit ein neues Werk im französischen Le Havre. Dort könnte der Bremerhavener 8-MW-Prototyp von Adwen gebaut werden – oder das Siemens-Modell.

Auch nebenan kriselt es am Windenergie-Standort Bremerhaven: Zwar hatte Ende 2016 die Firma Senvion den Auftrag, die Turbinen für den Windpark „Trianel Borkum II“ zu bauen, ihn der Konkurrenz von Adwen vor der Nase weggeschnappt. Senvion wird also weiter Turbinen in Bremerhaven bauen. Aber die Rotorfertigung soll nach Portugal verlagert werden, den 300 Beschäftigten der Senvion-Tochter Powerblades wurde mitgeteilt, ihr Bremerhavener Werk würde im Herbst dieses Jahres dicht gemacht. Senvion will nun vor allem nach Südamerika, Australien, Indien sowie den USA expandieren.

Dennoch lässt der Senat in Nibelungentreue an den früheren Plänen für das mindestens 180 Millionen Euro teure Offshore-Terminal in Bremerhaven (OTB) keinen Zweifel aufkommen: „Es gibt keinen Grund davon Abstand zu nehmen“, verkündete Bürgermeister Carsten Sieling jüngst wieder im taz-Interview. Dabei werden Windenergie­anlagen zunehmend in anderen Teilen der Welt gebaut – und die liegen alle weit weg von Nord- und Ostsee. Für Günthner bleibt der OTB aber das „zentrale Infrastrukturprojekt“ des Landes, das Bremerhaven mit der Anbindung von 250 Hektar Gewerbefläche nachhaltig stärken werde. Das Oberverwaltungsgericht hatte die OTB-Pläne mit Hinweis auf die halbseidenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen gestoppt. KAWE