Stadtgespräch
: „Wir kommen zurück!“

ExPräsidentin Cristina Kirchner kehrt in die Politik zurück. Ihre Fans halten ihr die Treue

Jürgen Vogt aus Buenos Aires

Fußballstadien sind in Bue­nos Aires wie Magneten. Nur dass sie alles anziehen: Bälle, Menschen, Aufmerksamkeit und auch Politiker. „Vamos a volver – Wir kommen wieder“, singen seit Jahren die Fans der Boca Juniors, einem der ganz großen Clubs in der Hauptstadt. Diese Woche hat es geklappt. Nach jahrelanger Durststrecke haben die kleinen Jungs aus dem Stadtteil La Boca endlich wieder die nationale Meisterschaft gewonnen.

„Das ist das Beste was Macri passieren konnte“, hievt Boca-Fan Miguel Vargas den Pokal auf eine andere Ebene. Tatsächlich kann Bocas mächtiger Ex-Club-Präsident und aktueller Staatspräsident Mauricio Macri diesen Erfolg dringend brauchen. Im Oktober stehen die Teilwahlen zum Kongress an und der neoliberal-konservative Macri hat kaum Erfolgreiches vorzuweisen.

Bedrohlich für den Präsidenten klang daher ein anderes „Vamos a volver“, das dieser Tage durch die Straßen der Stadt schallte. Gut 50.000 Menschen waren am vergangenen Dienstag singend zum Stadion von Arsenal de Sarandí gezogen. Cristina Kirchner, Macris Amtsvorgängerin (2007–2015), trat erstmals seit ihrer Abschiedsrede im Dezember 2015 wieder vor ihre Anhängerschaft.

In einem in den Farben der argentinischen Fahne gehäkelten Poncho kommt Cristina Kirchner auf die Bühne. Bewusst hatte die Politikerin den 20. Juni gewählt, den nationalen Feiertag der argentinischen Fahne. „Bringt Fahnen mit, klein selbstgemacht oder groß und darin eingehüllt“, hatte sie in ihrem Videoaufruf in den sozialen Netzwerken verkündet. Auf alle Parteisymbolik sollte verzichtet werden, und ihre Anhängerschaft folgte. Das Stadion ist eingetaucht in Hellblau und Weiß. „Gracias Argentina!“, ruft sie. „Cristina – Se­na­dora!“, fordern die Sprechchöre. „Ich muss wieder ein Amt übernehmen“, antwortet die 64-Jährige, lässt mit sich diesen Worten jedoch alle Optionen offen.

Gegenwärtig erstellen Argentiniens Parteien und politische Gruppierungen ihre Listen für die im August stattfindenden Vorwahlen. Hinter den Kulissen wird intensiv verhandelt und gerangelt, wer mit wem koaliert und zusammen auf einer Liste erscheint.

Marisa Nieres laufen die Tränen übers Gesicht. „Aguanta Cristina, halt durch!“, ruft sie jetzt. Schon seit Stunden hat die 52-jährige Hausfrau aus Berazategui, einer Kleinstadt im Südosten des Großraum Buenos Aires, in der ersten Reihe gewartet. „Die neue Regierung von Mauricio Macri ist eine Unternehmer­clique, die nur ihre eigenen Geschäftsfreunde bedient. Cristina hat sich immer um uns gekümmert“, sagt Marisa Nieres.

„Ich weiß, dass es bei immer mehr von euch nicht bis ans Monatsende reicht“, ruft Cristina. Selbstkritik an ihrer Amtszeit? „Es geht um die Gegenwart und die Zukunft“, sagt sie. Statt nackte Zahlen zu referieren, holt sie eine Studentin auf die Bühne, deren Stipendium gestrichen wurde, eine Rentnerin, deren Beihilfe für Medikamente weggefallen ist, die Köchin einer Volksküche, in der außer den Kindern jetzt auch die Eltern um eine warme Mahlzeit anstehen. Am Ende ist sie umringt von über zwanzig lebenden Beispielen.

Ihre Kritiker sagen, Cristina Kirchner wolle nur Senatorin werden, um angesichts der Prozesslawine wegen Korruption und Amtsmissbrauchs, die auf sie zurollt, parlamentarische Immunität zu genießen. „Macri und seine Kumpane wollen doch nur von ihren Konten in den Steuerparadiesen ablenken“, verweist Marisa Nieres hingegen auf Macris Namen in den Panama-Papers. „Cristina ist eine von uns“, sagt sie.

Und Miguel Vargas bringt es auf den Punkt: „Man kann Boca-Fan sein und Cristina wählen. „Vamos a volver“ hallt es auf dem Heimweg durch die Straßen.