Confed CupGegen die aggressiven Chilenen überzeugt das junge DFB-Team mit ungeahnten Qualitäten
: Sommerakademie mit Biss

„Wir können auch anders“: Julian Draxler geht mit Verve in den Zweikampf mit Charles Aránguiz Foto: dpa

Aus Kasan Andreas Rüttenauer

Chilenische Fans in der Straßenbahn zum Stadion in Kasan singen sich in Laune. Russische Fahrgäste antworten ihnen, indem sie spontan „Kalinka“ anstimmen. Alle packen ihre Englischkenntnisse aus, umarmen sich und tauschen Adressen aus. Es herrscht echte Turnierstimmung vor dem zweiten Gruppenspiel der Deutschen bei diesem Confed Cup gegen Chile.

Nur deutsche Fans sind kaum zu sehen. Im Land des Weltmeisters hatte man sich ja entschlossen, diesen Wettbewerb nicht allzu ernst zu nehmen. Entsprechend ist die Resonanz. In Chile, das sein Team fast zwei Wochen vor Turnierbeginn in Russland einquartiert hat, ist das anders. Während Joachim Löw den ungeliebten Cup zur DFB-Sommerakademie umgewidmet und eine recht unerfahrene B-Elf nach Russland geschickt hat, spielt Chile mit dem besten Aufgebot. Was am Donnerstag dabei herausgekommen ist? Ein 1:1-Unentschieden und ein bisweilen richtig ernstzunehmendes Fußballspiel.

Die Chilenen rannten, was das Zeug hielt und setzten die Deutschen weit in deren Hälfte massiv unter Druck. Das war Beißerfußball vom Allerfeinsten und Allerfiesesten. Kein Ball konnte ruhig ­angenommen und weitergespielt werden. ­Immer war eine schnelle Lösung gefragt. Nach diesem merkwürdigen Sommerkick in Sotschi gegen Australien, war schnell klar, dass es gegen die aggressiven Chilenen einfach nicht funktionieren wird, sich ein ums andere mal in aller Ruhe den Ball zuzuschieben.

Es galt die Aggressivität der Chilenen zu parieren. Das gelang zunächst ganz schlecht, was zum 0:1 durch Alexis Sánchez führte, und dann immer besser, was auch an der besseren Fitness der Deutschen lag. Das Team der Sommerakademie vermochte es, jegliche Urlaubsstimmung abzulegen und reagierte auf die Härte der Chilenen mit ebenso großer Robustheit. Das war auch nötig.

Sommer-Kapitän Julian Draxler, nicht gerade als Malocher auf dem Platz verschrien, war danach ganz zufrieden mit sich und dem Team. „Das hört man ja oft, dass die Deutschen immer so brav sind, das stimmt aber nicht“, meinte er und fügte mit stolzem Lächeln im Gesicht hinzu: „Wir können auch anders!“ Das wäre doch schon mal eine Erkenntnis, die der Bundestrainer für die Zukunft aus dem Auftritt dieses sogenannten Perspektivteams ziehen könnte: Da sind welche dabei, die können zurückbeißen, wenn der Gegner bissig ist.

Auch fußballerisch kann sich das sehen lassen, was das ­jüngste Team des Turniers gezeigt hat

Kommt da etwa eine neue Terrier-Generation nach oben, die kämpft statt spielt? Wohl kaum. Das Team, mit dem der Bundestrainer am Ende des Abends „sehr zufrieden“ war, hatte offensichtlich den Auftrag, trotz aller Aggressivität des Gegners immer wieder zu versuchen, den Ball, so gepflegt es die Situation eben zuließ, nach vorne zu spielen. Fußballerisch kann sich das sehen lassen, was das jüngste Team des Turniers (Altersschnitt 24,5 Jahre) im Vergleich zur ältesten Mannschaft (29,1) da gezeigt hat. Dass dabei mit Marc-André ter Stegen ein Torhüter im Sechzehner agiert hat, der das Spiel mit dem Fuß nahezu perfekt beherrscht, war sicher nicht von Nachteil. Und wer wie Shkodran Mustafi oder Matthias Ginter zunächst Probleme hatte, der zeigte spätestens in Hälfte zwei, dass er es besser kann.

Dass er es richtig gut kann, auch wenn er vorne im Sturmzentrum spielt, zeigte Lars Stindl, der sich als sicherer Ballverarbeiter beweisen konnte und fast immer die richtigen Laufwege fand – nicht nur vor seinem Tor zum 1:1-Ausgleich kurz vor der Pause. Ein Sonderlob vom Bundestrainer gab es dafür für den deutschen Musterschüler des Turniers, der in Kasan schon seinen zweiten Turniertreffer erzielt hat. Der Mann könnte wirklich Perspektive haben im DFB-Team

Ob Joachim Löw in dieser Auswahl sonst noch jemanden gefunden hat, den er mit einem Reifezeugnis für die A-Auswahl aus der Sommerakademie entlässt, hat er natürlich nicht verraten. Er hatte aber ein Spiel „auf höchstem Niveau mit wahnsinnigem Anspruch“ gesehen. So schlecht werden die Noten also nicht sein, die er verteilen wird. Der nächste Gegner am Sonntag ist Kamerun. Mal schauen, wer sich da empfehlen darf.