„Ey, is det der Hammer“

Fußball Der 1. FC Union will sein Stadion An der Alten Förstereibis 2020 für 38 Millionen Euro auf 37.000 Plätze erweitern. Das Schmuckstückim Wald soll so finanziert werden, dass der Vereinin keinem Fall in Existenznot gerät. Die Fans jedenfalls feiern die Pläne

So soll es 2020 aussehen: Waldseite des Stadions mit Clubhaus, an dem die Fans auch mitwerkeln dürfen Foto: 1. FC Union Berlin e. V.

von Gunnar Leue

Vor drei Jahren standen auf dem Rasen des Stadions An der Alten Försterei olle Sofas, auf denen sich Fußballfans die WM-Spiele in Brasilien anguckten. Das „WM-Wohnzimmer“ hatte Union und sein Stadion international mal wieder in die Schlagzeilen gebracht. So wie 2008/09, als es mit kostenloser Hilfe Tausender Fans ausgebaut worden war. Am Dienstagabend saßen wieder ein paar tausend Fans mit Bier und Bratwurst aufgekratzt vor Videowänden. Nicht Langweiler-Confed-Cup-Gucken war angesagt, sondern Stadion angucken. Das neue, das vor Monaten von der Vereinsführung angekündigt wurde.

Die Einladung für die Veranstaltung ging nicht nur an die Unionfans, von denen viele in Bekennertextil erschienen sind, sondern an jedermann, nicht zuletzt Anwohner. Schließlich müssen auch sie mit den Folgen eines Hypes um den Köpenicker Fußballklub leben, der ja kein richtiger Hype ist, weil die Union-Anziehungskraft nicht künstlich aufgeblasen ist. Sie hat sich über die Jahre kontinuierlich entwickelt. Sportlicher Erfolg plus solides Wirtschaften plus ein Hauch Feeling von Widerstand gegen die ganz große Kommerzkacke ringsum, das summiert sich. Zu Union kommen nun auch schon Briten, um nostalgisches Fußballambiente zu erleben. Heimeliges Stadion mitten im Wald, praktisch immer voll und kaum nervender Sponsorenklimbim.

Künftig werden sich alle umgewöhnen müssen, ein wenig. Das Stadion soll erweitert werden, ohne seinen ungenormten Charakter, der ja auch den Verein prägt, zu verlieren. So ähnlich erklärte es Union-Präsident Dirk Zingler den gut 3.000 Anwesenden am Dienstagabend bei der Präsentation der Stadionpläne, die eigentlich ein Happening ist, obwohl hin und wieder Vokabeln wie Bebauungsplanverfahren oder Baurechtsparagraf 34 durch die abendliche Sommerluft schwirren.

Union versteht sich als Verein, der sich der Eventisierung des Fußballs möglichst weit entgegenstellt, aber das heißt natürlich nicht, dass man kein Gefühl für die perfekte Inszenierung hätte. Die Präsentation eines Bauvorhabens als Event, pathetisch, aber ohne Großkotz, begann pünktlich halb acht mit dem Abspielen der Vereinshymne „Eisern Union“. Die Fans erheben sich, recken Schals hoch und singen lauthals mit. Dann betritt Stadionsprecher Christian Arbeit, festlich im Anzug, die kleine Bühne zwischen den vier Videowänden und begrüßt die Anwesenden genau wie bei Punktspielen mit einem kraftvollen „Unioner!“. Woraufhin gleich mal ein Chorgesang zurückschallt: „Alte, Alte, Alte Försterei“.

Hertha ist schon lange unzufrieden mit dem Olympiastadion: Es ist dem Verein zu groß, das Publikum sitzt zu weit vom Spielfeld entfernt. Beides drückt die Stimmung. Deshalb hatte Hertha einen Stadionneubau ins Gespräch gebracht, im Olympiapark oder im brandenburgischen Ludwigsfelde.

Im Mai kam dann eine weitere Option auf: der Umbau des Olympiastadions. Die Tartanbahnen sollen weg, die Ränge steiler werden. An der grundsätzlichen Optik darf sich aber aus Denkmalschutzgründen nichts ändern. 150 Millionen Euro soll der Umbau Medienberichten zufolge kosten. (taz)

Dann heißt es Film ab für die neue Alte Försterei. Historische Bilder, Spielszenen aus der letzten Saison, Aufnahmen jubelnder Fans, dann die ersten Animationen von der neuen Arena. Raunen, spontaner Beifall, Wortfindungsversuche. „Ey, is det der Hammer“. Auf dem Podium geht Präsident Dirk Zingler in sich gekehrt hin und her mit einem unterdrückten Lächeln, als im Film die Zahl der Stehplätze aufleuchtet: 28.692. Jubel, Yeah, Yeah. Nach dem Film Standing Ovations, Live-Chorus „Eisern Union“.

Präsident Zingler und Dirk Thieme, Aufsichtsratschef der Stadion AG, in der auch viele Fans mit Aktien vertreten sind, lassen Luft holen und fassen zusammen: Das Fassungsvermögen wächst von 22.000 auf 37.000 Plätze, davon 28.700 Stehplätze. Dazu kommen 4.700 neue Sitzplätze, was die Bundesligatauglichkeit sichert, die 8.000 Sitzplätze verlangt. Erreicht wird all das durch den Bau eines dreiseitigen Oberrings, aufgesetzt auf die jetzigen Stehtraversen. Die obersten Zuschauer schauen dann aus 20 Metern Höhe aufs Feld. Auf der langen Gegengeraden kommen noch Logen drauf. Die VIPs hat man als Stehplatzfan jetzt direkt im Nacken.

Genug für eine rote Wand

„Hertha kotzt. Da werden bestimmt welche sagen, wir wechseln zu Union“

Union-Fan bei der Präsentation der Umbaupläne

Schön für die Ultras: Die Waldseite bleibt ihre und wird noch gewaltiger, weil auch der Oberring nur für Stehgucker ist. Macht insgesamt 12.000 Stehplätze am Wald, genug für eine rote Wand. Erreichbar sind sie über Treppenhäuser im Schöneweider Industriebauklinkerstil. Eine architektonische Verneigung vor der Heimat des Klubs. Fertig werden soll das Stadion nach gut einem Jahr Bauzeit im laufenden Spielbetrieb 2020. Pünktlich zum Jubiläum 100 Jahre Alte Försterei.

Baubeginn ist wegen des längeren Bebauungsplanverfahrens erst 2019. Das Clubhaus für die Fans, an dem sie auch mitwerkeln dürfen, wird schon früher gebaut. Die Baukosten fürs Gesamtprojekt sollen bei 38 Millionen Euro liegen. Alles sei gut finanzierbar, sagt Zingler, dank guter wirtschaftlicher Lage des Vereins und Zinsniveau. Selbst ein Abstieg zwischendurch wäre verkraftbar. Einflüsse von außen gibt es trotzdem, so die Art der Unterstützung des Landes Berlin bei der Verbesserung des ÖPNV, über den vor allem die zusätzlichen Zuschauermassen bewältigt werden sollen. Zingler sieht große Hilfsbereitschaft.

Während der Präsentation sagte irgendwann ein Fan zum Nachbarn: „Hertha kotzt. Da werden bestimmt welche sagen, wir wechseln zu Union.“ Eine knallige Ansage an den Lokalrivalen ist das Projekt schon. Die Charlottenburger wollen ja auch ein neues Stadion. Und die ersten Negativmeldungen gibt es bereits. Leute sollen ihre Häuser verlassen müssen, weil die im Weg stehen. Das passiert in Köpenick nicht, aber ob dort alles reibungslos ablaufen wird, wird sich zeigen müssen.