Neuneinhalb Wochen, Teil 7
: Let‘s get out!

Susanne Gieffers, taz bremen-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

Gewählt wird auch anderswo. Aber erstens passiert das in den USA mitten in der Woche, immer dienstags, und zweitens ist es ein Elend. Zumindest was die Bürgermeisterwahlen in Minneapolis angeht. Die Bremer Bürgerschaftswahlen von vor zwei Jahren sind ein leuchtendes Stück gelebter Demokratie dagegen, wie viel die Menschen in der Millionenmetropole im mittleren Westen sich um ihre politische Zukunft scheren. Das geht schon mit dem Wahlkampf los. Termin in Downtown, die Frauenunion lädt zur Diskussion. Drei Kandidaten sitzen auf der Bühne, der amtierende Bürgermeister, sein Herausforderer von derselben Partei, der hier sowas wie der Landrat ist, und die Grüne, die alle Minderheitenmacht auf sich vereint: Frau, grün, jung, Muslimin. Das nicht gerade üppige Publikum darf seine Fragen auf Zettel kritzeln, die dann von einer alten Dame verlesen werden. Jeder Kandidat hat zwei Minuten zum Antworten, keine Rückfragen, kein Eingehen auf Gesagtes, Geleistetes, Versprochenes. Henning Scherf und sogar Bernd Neumann sind echte Entertainer im Vergleich zu hiesigen Politkräften, von Karoline Linnert ganz zu schweigen.

Was in Bremen der Streit um Investitionen, ist hier der Streit um Polizisten. Mehr sollen es werden, das versprechen die beiden Hirsche mit fast denselben Worten und beäugen einander mit hasserfüllten Blicken. Die Grüne will das Leben in dieser Stadt besser machen, denn wenn es allen besser geht, gebe es auch weniger Schießereien. Sie verbringt den Rest des Abends damit, ihr Eingangsstatement zu variieren und ihren Anhängern zuzuwinken.

Jane hat zu diesem Ereignis klugerweise ihre Handarbeit mitgebracht und bastelt Blumen aus bunten Perlen, wenn sie nicht gerade gähnt oder kurz wegdöst. Ich krakele auf meinem Block Galgenännchen und in regelmäßigen Abständen die Worte „Help“ und „Let‘s get out“, wozu Jane nur anmerkt: „Hab ich dir doch gleich gesagt.“

Wir haben den Abend im Wein ersäuft, und Jane ist wenig später wählen gegangen, eine der wenigen 14 Prozent, die das überhaupt für nötig hielten. Es waren, man muss es fairerweise hinzufügen, die Vorwahlen * acht der zehn Kandidaten wurden hier ausgesiebt, Grüne inklusive, jetzt bleibt nur noch über Landrat und Bürgermeister zu entscheiden. Jane wird wieder dabei sein. Vor ein paar Jahren hat sie vor lauter Verzweiflung über die Anwärter und deren mageres Angebot Protest gewählt und für den durchgeknallten Wrestler Jesse „The Body“ Ventura gestimmt. Jane dachte, sie würde so dem Establishment in die Eier treten. Das tat sie mehr als ihr lieb war, und mit ihr viele andere – Jesse Ventura hatte die Wahlen gewonnen.