Asyl im Körper eines anderen

Deutschlandpremiere von „Fremde Haut“ auf dem heute beginnenden 13. Filmfest Hamburg: Sauerkrautfabrik meets Residenzpflicht

von Katja Strube

Im Iran steht auf lesbische Liebe die Todesstrafe. Gerade der Eklat dieser Unterdrückung von Frauen lässt sie häufig als weit entfernt von hiesigen Zuständen erscheinen. Regisseurin Angelina Maccarone setzt sie in ihrer Arbeit Fremde Haut, die jetzt im Rahmen des heute beginnenden Filmfests gezeigt wird, ins Verhältnis zum Umgang mit Migrantinnen und Homosexualität hierzulande.

Der Inhalt ist schnell erzählt: Die junge Iranerin Fariba (Jasmin Tabatabai) flüchtet vor der Scharia aus Teheran nach Deutschland, doch bereits in der Transitzone des Frankfurter Flughafens droht ihre Reise zu enden. Denn ihr Asylantrag wird im Eilverfahren abgelehnt, schon am nächsten Tag soll sie in den Iran abgeschoben werden. Fariba nimmt die Identität eines männlichen Mitgefangenen an, den die Behandlung durch die deutschen Behörden in den Selbstmord trieb. Als Regimekritiker Siamak erhält Fariba eine zeitlich beschränkte Duldung. Sie darf einreisen – ins schwäbische Provinzkaff Sielmingen. Dort begegnet sie einer neuen Liebe, Anne (Anneke Kim Sarnau) und echten deutschen Kerlen (überzeugend eklig: Hinnerk Schönemann). Der „Frau verkleidet sich als Mann und darf nicht erwischt werden“-Topos hat jedoch in Fremde Haut nichts Klamaukiges; Jasmin Tabatabai überzeugt als schweigsamer Asylbewerber. Selbst 1978 vor der iranischen Revolution nach Deutschland geflohen, ist sie nicht nur als Schauspielerin, sondern auch biographisch eine Idealbesetzung für die grenzüberschreitende Rolle.

Maccarones Leinwanddebüt gelingt es in langen Einstellungen voll stockender Dialoge, Verbindungen zu ziehen von der frauenfeindlichen Gesetzgebung im Iran zur repressiven deutschen Normalität. Sie lässt Gegensätze aufeinander prallen: Fariba, eine gebildete Großstädterin, die in Teheran als Übersetzerin arbeitete, trifft auf tumbe deutsche Grenzbeamte und Residenzpflicht samt schwäbischer Tristesse.

In Deutschland ist Verfolgung aus sexuellen Gründen rechtlich meist kein Asylgrund – und gesellschaftlich schon gar nicht. Fremde Haut gipfelt in der Erkenntnis, dass es einfacher sein kann, jemand anderes zu werden, als woanders zu wohnen. Folgerichtig scheitert Fariba auch nicht als Siamak, sondern als sie wieder zur Frau wird. Dies ist die Rolle, die sie fortan noch ablegen kann. Die iranische Staatsbürgerschaft nicht.

Sa, 24.9., 19.15 Uhr, Grindel 1 mit Angelina Maccarone, Jasmin Tabatabai, Anneke Kim Sarnau, Hinnerk Schönemann und Navid Akhavan. Weitere Vorführung: Di, 27.9., 21.15 Uhr, 3001Das Filmfest läuft bis zum 29.9. Info unter www.filmfesthamburg.de