Damit sie bleiben können

Afrika muss seine eigenen Ressourcen mobilisieren – dann kann der Kontinent seinen bald zwei Milliarden Bewohnern eine Perspektive bieten

Von Matel Bocum

Die Migration, eine alte Tradition in allen Nationen, hat zuletzt den Eindruck hervorgerufen, dass die Afrikaner bereit sind, alles zu riskieren, um im Westen bessere Lebensbedingungen vorzufinden und der Armut in manchen Regionen Afrikas zu entfliehen. Voraussagen zum Bevölkerungswachstum lassen das Schlimmste befürchten. 1950 lebten in Afrika noch 230 Millionen Menschen, 2014 waren es schon 1,2 Milliarden. Die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. 25 Prozent der Kinder weltweit leben in Afrika. 2050 soll sich die afrikanische Bevölkerung verdoppelt haben und 2,4 Mil­liarden Einwohner zählen. Heute leben 48,5 Prozent der Afrikaner südlich der Sahara von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag. Was bedeutet all das für die Zukunft? Worauf müssen Afrika und Europa sich einstellen?

Pessimismus liegt in der Luft – vor allem bei denjenigen, die solche finsteren Voraussagen beschwören. In den Augen afrikanischer Forscher allerdings ist noch nicht alles verloren.

Brehima Mamadou Kone etwa, Wissenschaftler am Institut für Forschung und Förderung alternativer Entwicklung (IRPAD) in Mali, gehört zum Kreis der afrikanischen Intellektuellen, die denken, dass die nationalen Ressourcen umverteilt werden müssen, um genau die unselige Entwicklung zu verhindern, die die Jugend zu Landflucht und lebensgefährlicher Migration nach Europa drängt. Der Kontinent sollte auch über den Rohstoffexport hinausdenken und in die kleinbäuerliche Landwirtschaft investieren, die nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) 80 Prozent unserer Nahrungssicherung ausmacht.

Afrika müsse den Grundstein zu einer gerechten Partnerschaft mit den Ländern des globalen Nordens legen, wenn es um die Nutzung seines Reichtums in Bergbau, Erdgas und Erdöl geht, sagt Kone. Das bedeutet auch: Seine Verwaltung muss effizienter werden. „So können wir eine lokale Wirtschaft aufbauen, auf die die nationale Wirtschaft aufbaut“, so Kone.

Für Mamadou Demba Dème, Präsident einer Migrantenorganisation mit Sitz in Frankreich, kommt der Migration dabei eine wichtige Funktion zu. Die internationale Hilfe für die afrikanischen Länder müsse dem Beitrag entsprechen, den Migranten im Exil zur Entwicklung ihrer Herkunftsländern leisten. Empfehlungen, wie diese Gleichung gelöst werden kann, kommen von überall. Aber eine der besten Strategien wäre es, junge Afrikaner dazu zu ermutigen, ihr Land und ihre Kultur zu lieben, glaubt Dème. Doch das allein werde niemanden aufhalten. Nötig sei eine gemeinsame Entwicklungsagenda, die der gesamte Kontinent voranzutreiben versucht – und zwar zusammen.

Vor allem die afrikanischen Machthaber seien dazu aufgerufen, mit gutem Beispiel voranzugehen, mahnt Dème: „Wie soll man einem Arbeitslosen erklären, dass er hierbleiben soll, wenn die führenden Persönlichkeiten nicht dementsprechend handeln?“ fragt er. „Sie selbst ziehen ihre Kinder im Ausland auf, schicken sie an namhafte Universitäten und lassen ihre Frauen im Ausland entbinden. Sie konsumieren nicht das, was in ihrem Land hergestellt wird. Sie verbringen ihren Urlaub nicht in ihrer Region. Es gibt keinerlei Wertschätzung für ihr Land.“

Matel Boucum, 38, arbeitet als Redakteurin bei der Wirtschaftszeitung Le Soleil business in Dakar, Senegal.