Zeitgeist Der traditionsreiche Erotikkonzern Beate Uhse hat den Anschluss verpasst
: Es hapert trotz Hannah Harper

„Am Ende wurde das Bild von Beate Uhse abgehängt und rausgetragen, dann war Schluss“

Eine Gewerkschafterin über das Ende der Flensburger FirmenZentrale

aus Flensburg David Joram

Was für eine Länge: 25,4 Zentimeter! So viel misst der „Cock King“, ein beigefarbenes Etwas, das zu ganz erstaunlichen Ergebnissen führen soll. Der Cock King jedenfalls ist der größte Dildo zwischen Flensburg und Handewitt. Man findet ihn in einer Ecke des Beate-Uhse-Shops auf dem Autohof an der B 199, dem letzten verbliebenen Beate-Uhse-Shop in der einstigen Beate-Uhse-Stadt Flensburg. Der Erotikkonzern würde gern noch in einer so gewaltigen Liga spielen wie es der Cock King tut; doch schleicht die Marke trotz hohen Bekanntheitsgrades dem Untergang entgegen.

Eine Aktie, die zum Börsengang 1999 fast 30 Euro wert war, kostet derzeit keine 20 Cent mehr. Das Geschäft mit Sexspielzeugen, Pornos und anderem branchenüblichen Equipment war zuletzt erneut ein Minusgeschäft. Ein bis zwei Millionen Euro Verlust vermeldete der Konzern Anfang Juni für das Jahr 2016 – und rief parallel dazu seinen Finanzchef Cornelis Vlasblom ab. Überhaupt sind Personalwechsel in den letzten Monaten die einzige Konstante gewesen, selbst der Hauptsitz wurde verlegt – von Flensburg nach Hamburg.

In der Gutenbergstraße 12 stand einst das stolze Hauptquartier der AG. Dort steht auch weiterhin ein unförmiger, grauer Betonklotz mit ganz vielen Ecken und Kanten, der sich trotz seiner Hässlichkeit von den umliegenden Industriebauten ein wenig abhebt. Mehr als ein paar Büros hat Beate Uhse hier aber nicht mehr. Seit 2015 schreibt der Konzern von Hamburg aus rote Zahlen, die Mailadressen der MitarbeiterInnen enden auf „nl“. In den Niederlanden, genauer in Almere bei Amsterdam, sind Logistik und Versand angesiedelt.

In der Gutenbergstraße 12 ist eine Möbelfirma namens Knutzen eingezogen. Sessel, Sofas oder Esstische bringt sie an Frau und Mann – Sexspielzeuge eher weniger. Ein Schild mit dem feinen Schriftzug „Beate Uhse“ steckt trotzdem noch vor der Gebäudefront im Rasen; angesichts der Malaise des Traditionsunternehmens wirkt es überdimensioniert. War halt mal mehr los.

Auch der Briefkasten am Haupteingang deutet darauf hin. Postboten können dort Ware abgeben für die Beate Uhse AG, Beate Uhse Einzelhandel, Beate Uhse Franchise, Beate Uhse Fun Center und, und, und – für die Anfrage der taz nach Unternehmensbilanzen fühlt sich indes niemand zuständig. Eine Praktikantin antwortet, man werde sich kümmern. Das war’s.

„Am Ende wurde das Bild von Beate Uhse abgehängt und rausgetragen, dann war Schluss“, erzählt eine Gewerkschafterin über die Abwicklung des Flensburger Standorts. Längst sei das Thema passé, die Fehler analysiert: Gang an die Börse, Management-Versagen. Solche Dinge hätten eine Rolle gespielt, weniger die Auswahl des Sortiments. Orion, das in den 1980er-Jahren aus der ­Beate Uhse AG hervorging und seinen Sitz ebenfalls in Flensburg hat, biete quasi dieselben Produkte.

Knapp 300 MitarbeiterInnen beschäftigt Orion am Hauptstandort, deutschlandweit sind es knapp 1.000. Der Umsatz habe sich in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gesteigert, teilt Orion-Pressesprecherin Susanne Gahr mit, zuletzt um knapp sechs Millionen. Als größte Konkurrenten sieht Orion die Onlinehändler Amorelie und Eis – Beate Uhse bemitleidet man eher.

Was bleibt, ist die Geschichte, als nach dem Zweiten Weltkrieg Kondome und „Ehehygiene“ salonfähig wurden. Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange sagt: „Als das Thema Gleichberechtigung noch in den Kinderschuhen steckte, war Beate Uhse schon der Inbegriff einer modernen Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Mit Mut, Engagement, Offenheit und Toleranz ,Made in Flensburg' ist sie durchgestartet – Werte, die wir noch heute genauso leben.“ Ihrer Zeit sei sie damals voraus gewesen.

Das Angebot im Flensburger ­Beate-Uhse-Shop an der B 199, der streng genommen zum Handewitter Gebiet zählt, deutet daraufhin, dass sich der Konzern an einer Modernisierung versucht. An der Kasse steht Miriam Kraack, eine kenntnisreiche, junge Frau, die genau erklären kann, was wie zu verwenden ist. Sie führt durchs Sortiment, in dem nicht nur Männer, sondern auch Frauen fündig werden. Hoch im Kurs stehe etwa der „Womanizer“, ein Gerät, das Ähnlichkeiten mit einer PC-Maus aufweist. Es stimuliert die Klitoris und kostet als Top-Variante bei Beate Uhse 189 Euro.

Ziemlich neu im Angebot ist der „Mighty Mouth“, der wohl für den oralen Gebrauch konstruiert worden ist. An Innovationen mangele es jedenfalls nicht, und ganz überholt seien die Sexshops nun auch nicht: „Wir sind ein Gewerbe, in dem oft Menschen geholfen wird. Vor Ort gibt es dazu die kompetente Beratung, die fehlt im Onlinehandel“, so Kraack. Tatsächlich liege das Kundenverhältnis von Frauen und Männern in etwa bei 40 zu 60, viele Pärchen ließen sich beraten.

Was bei Beate Uhse trotzdem nicht fehlen darf, sind ein paar „Klassiker“, die wohl eher Männerpublikum ansprechen dürften. Plastikpuppen mit den Namen Hannah Harper und Mona Mountains etwa, oder die lebensgroße Variante, die stolze 1,73 Meter misst und als „Super Model“ für 889,99 Euro zu erwerben ist – der teuerste Artikel, den Kraack auf Lager hat. Alles Dinge, deren Bestellung bequem per Mausklick möglich ist. Dasselbe gilt für pornografisches Material, obwohl der DVD-Verkauf – trotz Rückgangs – immer noch ganz gut laufe; manche Kunden würden auf einen Schlag acht oder neun Filme auswählen.

Generell aber betrachtet Kraack die Sache pragmatisch: „Warum sollte jemand das Haus verlassen, wenn man es auf seinem Schoß erledigen kann? Die Leute werden faul; das ist nun mal so – daran leidet nicht nur die Erotikbranche.“