Der grüne Spagat zwischen
Selbstkritik und klarer Kante

Parteitag Die NRW-Grünen arbeiten ihre Wahlniederlage auf – und haben Geldsorgen

DORTMUND taz | Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion hat beim NRW-Landesparteitag keinen leichten Job. Von der Bühne der Dortmunder Westfalenhalle versucht Britta Haßelmann alles, die 283 Delegierten nach dem sieben Wochen zurückliegenden Machtverlust in Nordrhein-Westfalen für den nächsten Wahlkampf zu motivieren: „Nur Sonntagsreden“ habe CDU-Kanzlerin Merkel beim Klimaschutz gehalten. Bei der Verkehrswende und der Elektromobilität habe die Große Koalition in Berlin genauso versagt wie in der Agrarpolitik und der Schaffung eines solidarischen Europas. „Dazu braucht es Grüne“, ruft die 55-Jährige.

Die Grünen stehen vor einem schwierigen Spagat. Läuft der Bundestagswahlkampf in NRW mit seinen 18 Millionen Menschen schlecht, kann die Partei eine Regierungsbeteiligung in Berlin vergessen. Doch gleichzeitig muss die Ökopartei das Wahldebakel bei der Landtagswahl aufarbeiten – von 11,3 sind die Grünen auf 6,4 Prozent abgestürzt. In Selbstkritik übt sich deshalb der amtierende Landeschef Sven Lehmann: „Zu sehr auf Konsens gesetzt“ habe die Partei in der Koalition mit der abgewählten SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Abgeordnete müssten neu lernen, ihren WählerInnen „mehr zuzuhören“, fordert Lehmann – und versprach weniger Entscheidungen von oben herab und mehr Basisbeteiligung. Nötig sei auch, „mehr klare Kante gegenüber der Industrie“ zu zeigen – und „weniger direkte Eingriffe in die Lebensweise der Menschen“: Problemtisch seien nicht das Autofahren und Fleischkonsum, sondern fehlende konkurrenzfähige Elektroautos und Massentierhaltung, findet der Parteichef.

Das ein Neuanfang nicht leicht wird, zeigt der in Dortmund verabschiedete Haushaltsplan: Weil die Zahl der Landtagsabgeordneten nach der Niederlage von 29 auf 14 geschrumpft ist, fehlen den Grünen pro Jahr allein 200.000 Euro an „Mandatsbeiträgen“, die die Parlamentarier abführen – ohne massive Einsparungen droht dem NRW-Landesverband ein strukturelles Defizit. Andreas Wyputta