Showdown in Kiel: Gaschke will ins Rathaus

KARRIERE Am Sonntag findet die Stichwahl um den Kieler Oberbürgermeister-Posten statt

„Die SPD muss Politik machen für sozial De- klassierte, die sie dafür nicht wählen und auch nicht schätzen“

SUSANNE GASCHKE (SPD)

KIEL taz | Der Konkurrent von der CDU erwartet es, die Kandidatin selbst geht davon aus, auch die meisten Beobachter auch: Susanne Gaschke (SPD), Leitartiklerin aus der Zeit-Redaktion, ist die haushohe Favoritin bei der Stichwahl zur Kieler Oberbürgermeisterin. Ihr Gegenkandidat, der Projektmanager und früherer Stadtkämmerer Gert Meyer (CDU), sieht sich selbst als Außenseiter. Kiel ist immer noch SPD-Hochburg, ein CDU-Sieg wäre eine große Überraschung.

Dennoch war Gaschkes Weg gen Kieler Rathaus schwieriger als gedacht. Zunächst musste sie sich parteiintern gegen drei andere Bewerber um die Oberbürgermeisterkandidatur durchsetzen. Sie gewann mit zwei Stimmen Vorsprung. Dann holte sie im ersten Wahlgang vor zwei Wochen 43 Prozent – Konkurrent Meyer fast 39. Gaschke war trotzdem zufrieden, sie nannte das Ergebnis „super!“. Nur mit der Wahlbeteiligung haderte sie. Sie lag bei 35 Prozent.

Prominentes SPD-Paar

Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt hat 240.000 Einwohner und ist eine durchschnittliche kleine Großstadt. Seit dem Matrosenaufstand von 1918 kam nichts Revolutionäres mehr aus diesem Ort. Es gibt viele Schulden und arme Stadtteile. Deren Bewohner wäre eigentlich SPD-Klientel, sagt Gaschke. Doch von denen gingen viele nicht wählen. „Die SPD muss Politik machen für sozial Deklassierte, die sie dafür nicht wählen und auch nicht schätzen“, sagt Gaschke, die zum rechten Flügel der SPD zählt. Die Hoffnung dahinter: Andere finden so eine Politik gut.

Auch eine Journalistin an der Stadtspitzen wäre für die Kieler kein großer Umbruch: Dass in ihrem Rathaus Politikerklärer zu Politikmachern werden, kennen sie schon. Torsten Albig hatte zuletzt den Posten inne und trat zurück, nachdem er die Landtagswahl gewonnen hatte. Er ist jetzt Ministerpräsident.

Ein Wahlkampfthema war, ob sich Kiel eine Stadtregionalbahn leisten kann – Jahrzehnte, nachdem die Straßenbahn aus dem Stadtbild verbannt wurde. Gaschke will die Bürger darüber abstimmen lassen, Meyer hält sie für nicht finanzierbar.

Gaschke, 45, will auch in die Politik, weil sie vom politischen Journalismus genervt ist. „Wir wissen es immer besser“, sagt sie. „Ich glaube, wir müssen Politik besser erklären.“ Außerdem nerven sie die Pauschalisierungen: „Selbst in der Politikkonferenz der Zeit wird manchmal über ‚die Politiker‘ geschimpft.“

Vielleicht nervt sie das auch besonders, weil sie mit einem Politiker verheiratet ist. Hans-Peter Bartels sitzt für die SPD im Bundestag. Es ist also möglich, dass bald der direkt gewählte Kieler Bundestagsabgeordnete und die Oberbürgermeisterin unter einem Dach wohnen. Die beiden wären das mächtigste SPD-Paar der Stadt. DANIEL KUMMETZ