Geht’s noch?
: Gute deutsche Pflichterfüllung

Die in Deutschland geborene und aufgewachsene Bivsi R. darf nach Deutschland zurückkehren. Welch Gnadenakt!

Eine in Deutschland geborene und aufgewachsene Jugendliche wird von der Polizei aus dem Schulunterricht gezerrt und mit ihren Eltern, abgelehnten Asylbewerbern, die seit 20 Jahren in Deutschland leben, abgeschoben. Der Fall erregt bundesweit Aufsehen, Petitionen und Proteste führen schließlich dazu, dass die Jugendliche Bivsi R. wieder nach Deutschland zurückkehren darf, genau wie ihre Eltern.

Alle Beteiligten betonen, dass das Vorgehen der Behörden absolut rechtmäßig gewesen sei. Damit auch weiterhin alles seine Ordnung hat, ist der Weg zur Rückkehr ein „Schüleraustausch-Visum“ – wohlgemerkt für eine in Deutschland geborene, aufgewachsene und beschulte Jugendliche. Ihre Eltern dürfen aus „humanitären Gründen“ die Tochter an den Ort des jahrzehntelangen gemeinsamen Lebensmittelpunkts begleiten.

Der Gnadenakt des Schüleraustauschs, inklusive Hinweis darauf, dass Bivsi R. nach dem Schulabschluss einen Folgeantrag stellen dürfe, um ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen, ist im individuellen Fall besser als der Verbleib am fernen Abschiebeziel. Jedoch wird dabei die Fremdheit der Familie fortgeschrieben. Sie bleiben Ausländer, die zwar seit Ewigkeiten in Deutschland leben, doch bei jedem demütigenden Gang zur Behörde auf das Wohlwollen der Beamten hoffen müssen. Beamte, die doch immer nur ihre Pflicht tun.

Deutsche Beamte sind sich keiner Schuld bewusst und sehen die Verantwortung allein in der Gesetzeslage. Als gäbe es keinen Ermessensspielraum für ihre Entscheidungen, kein politisches Bewusstsein jenseits kühler Durchführungsbestimmungen, kein Gewissen. Die Fremden müssen halt draußen bleiben, so sind die Regeln.

Geboren in Deutschland, aufgewachsen in Deutschland, in Deutschland zur Schule gegangen. Warum hat Bivsi R., warum haben viele andere Kinder von Arbeitsmigranten, Geflüchteten und Asylbewerbern nicht automatisch ein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit? Das würde deutschen Bürgermeistern oder Polizisten Krokodilstränen wie im aktuellen Fall ersparen. Sie müssten, sonst ganz bedauernswerte Opfer der Gesetzeslage, keine Schulkinder mehr aus dem Unterricht zerren und in Flugzeuge ans andere Ende der Welt zwingen, weil es ihre Pflicht ist. Und die Pflichterfüllung, die ist doch das Wichtigste. Daniél Kretschmar