WEIHNACHTEN?
: Warten

Der 1. Advent ist noch weit, und doch kann man schon seit Wochen überall Christstollen und Lebkuchen kaufen. Die Weihnachtsmärkte machen auch bald auf, und es wird ein Leichtes sein, den Rest des Etats, der eigentlich für die Weihnachtsgans reserviert war, für Karussellfahrten und Zuckerwatte auszugeben. Insofern ist es eine ausgesprochen gute Nachricht, dass demnächst im Berliner Dom eine Weihnachtskrippe zu bewundern sein wird, bei deren Betrachtung man vor allem eins über muss: Geduld.

Seit knapp zwanzig Jahren sind die zwölf Holzfiguren des Bildhauers Paul Sebastian Fechtner im Dom zu bewundern – nur mit der Präsentation haperte es immer. Deshalb erreichte im Sommer dieses Jahres eine ungewöhnliche Bitte den Studiengang Bühnenbild und Szenischer Raum der TU Berlin: Die evangelische Domgemeinde bat um einen Ideenwettbewerb. Studierende sollten die Krippenfiguren in Szene setzen. Die acht Wettbewerbsentwürfe, die daraufhin entstanden, sind ab heute im Ausstellungsraum hinter der Hohenzollerngruft des Berliner Doms zu bewundern.

Darunter befindet sich auch jener von Annabelle Schuster, der ab dem 15. Dezember ganz offiziell zu sehen sein wird. Ihr Entwurf ist der reduzierteste, ruhigste und damit modernste der acht, die Jury aus Gemeindevertretern hat Geschmack bewiesen. Zu sehen ist nichts weiter als eine halbrunde, weiße Bühne und eine weiße, gewölbte Rückwand, die von unten angestrahlt wird. Das Wichtigste aber: Zunächst werden nur zwei der Figuren zu sehen sein – Ochse und Esel. Erst am 24. Dezember werden sich zu den Tieren Joseph, Maria und die Hirten gesellen, und am 6. Januar folgen die heiligen drei Könige aus dem Morgenland.

Neben der äußersten Reduktion, die sich einfach am besten vom überaus verschnörkelten, überladenen Altar des Doms abhebt, ist es vor allem die Kultur des Wartens, mit der Schuster in ihrer Arbeit spielt: Eine Kultur, die in unserer Welt des „Ich will alles, und zwar sofort“ immer mehr verschütt geht. Die Krippe vervollständigt sich nach und nach, wir müssen uns gedulden. Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, in diesem Sinne auch die Lebkuchenherzen noch ein paar Wochen wegzupacken. Sie schmecken tatsächlich besser, wenn sie ein bisschen gelagert werden. SM Foto: dapd