Ein verschlüsselter Messengerdienst als Beweis

Türkei Neun Journalisten festgenommen. Sie nutzten die gleiche App wie die Gülen-Bewegung

Schätzungsweise 10.000 Menschen nutzen­ in der Türkei die App ByLock

BERLIN TAZ | Bei Razzien in Istanbul sind am Donnerstagmorgen neun von 35 Journalisten festgenommen worden, gegen die kürzlich Haftbefehl erlassen worden war. Die Medienschaffenden würden laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr in Verbindung gebracht. Ihnen wird außerdem die Mitgliedschaft in einer „bewaffneten terroristischen Organisation“ vorgeworfen. Die Haftbefehle und Razzien seien ein Teil der Ermittlungen gegen den Medienarm der Gülen-Bewegung, so die Regierung in einer offiziellen Stellungnahme.

Unter den Festgenommenen befindet sich auch Burak Ekici, der seit einem Jahr als Onlineredakteur für die linke Tageszeitung BirGün tätig ist. Ihm wird zu Last gelegt, den Messengerdienst ByLock verwendet zu haben. Der 26-jährige Redakteur twitterte seine Festnahme und teilte mit, dass er auf ein Polizeipräsidium im Istanbuler Bezirk Fatih gebracht werde.

Die App ByLock soll von den Mitgliedern der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zur Kommunikation benutzt worden sein. Fethullah Gülen, Oberhaupt der Gülen-Bewegung, die als Terrororganisation gelistet ist, lebt seit 1999 im amerikanischen Exil. Er wird als Initiator des gescheiterten Putschversuchs vom 15. Juli 2016 betrachtet. Gegen ihn und mehr als 400 weitere vermeintliche Putschisten läuft seit dem 1. August ein Gerichtsverfahren in Ankara.

Die Nutzung von ByLock wird von den türkischen Justizbehörden als Beweis für die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung angeführt, doch ist dieses Vorgehen äußerst umstritten. Schätzungen zufolge wird der genannte Messengerdienst in der Türkei von nahezu 10.000 Menschen verwendet. Bereits Tausende Nutzer oder mit ihnen in Kontakt stehende Menschen wurden im Zuge der Ermittlungen nach dem Putschversuch deshalb verhaftet.

In einer Stellungnahme der BirGün gibt die Zeitung bekannt, dass die Anwälte des Verlagshauses die Verhaftung ihres Kollegen, dessen Wohnung in den frühen Morgenstunden gewaltsam von der Polizei gestürmt wurde, genau mitverfolgen. Allerdings heißt es in der Stellungnahme auch, dass die Zeitung davon ausgeht, dass sich die Ermittlung nicht gegen die BirGün im Allgemeinen richte: „Wir hoffen dennoch, dass auch die Ermittlungen im Falle unseres Kollegen schnell zu einem Ergebnis führen.“

Bei den acht weiteren Journalisten handelt es sich um (ehemalige) Mitarbeiter von Zeitungen und Medienhäusern, wie der Zaman, Cihan Haber Ajansı, Ihlas Haber Ajansı oder Samanyolu, die alle mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Erk Acarer